The Imitation Game

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Alan Turing ca 1938, Quelle

Zur Abwechslung einmal eine kleine Rückschau auf einen oscarprämierten Film über den Mathematiker Alan Turing, der die Enigma-Maschine der Deutschen im Zweiten Weltkrieg entschlüsselt hat. In Summe fand ich den Film sehr gut, großteils glaubwürdiger Plot, bis in die Nebenrollen exzellent besetzt. Unzweifelhaft ist aber auch, dass Turing als (Asperger-) Autist dargestellt wurde und das über die gesamte Spiellänge so klischeehaft, dass es für mich schon weh tat beim Zusehen. Vorsicht Spoiler! PS: Der Film ist von 2014, ich habe ihn erst jetzt auf eine Empfehlung hin auf Netflix entdeckt. Continue reading

Im Vakuum: Positiv sein versuchen

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In Österreich sind die Ausgangsbeschränkungen gefallen, die Maskenpflicht und Abstandsregeln geblieben. In Wien heißt das, die Öffis sind wieder voll, Abstand halten schwierig. Für jedes Geschäft gibt es eigene Regeln. Bei manchen muss man vorher anrufen oder einzeln eintreten. Alle wollen, dass man kontaktlos zahlt. Ab Mitte Mai sollen Essenslokale wieder aufsperren. Mit spontanem Essen gehen, gemütlichen Sitzen oder die Ex-Kollegen zur Plauderrunde treffen ist es aber dauerhaft vorbei. Es wird Zeitslots geben, man muss reservieren – telefonisch oder per Mail – maximal vier Personen am Tisch. Und Maske tragen am Weg zur Toilette. Schankbetrieb bleibt auch ausgesetzt, also nur Flaschengetränke. Da kann ich auch daheim bleiben. Wahrscheinlich schaut jeder die anderen Gäste finster an und verzieht das Gesicht, sobald jemand hustet oder laut lacht. Ich vermisse mein Halloumi-Frühstück am Yppenplatz. Dort saß ich gerne eine Stunde, hörte den türkischen Chef fließend zwischen türkisch und deutsch wechseln, abwechselnd charmant zu den Gästen und grob-halbernst zu seinem Personal. Ich hab mir immer eine Zeitung vorher gekauft. Ohne dabei etwas zu lesen kann ich nicht frühstücken. Inzwischen frühstücke ich regelmäßig daheim, aber ohne Halloumi-Spiegelei und den Avocadoaufstrich vermisse ich genauso. Die Standardreaktion ist jetzt vermutlich: Den kannst Du Dir auch selbst machen, ja, aber ich krieg ihn nie so exakt hin wie dort auf der Speisekarte, die richtige Mischung an Zutaten macht es. Davon abgesehen ist es mir zu aufwendig.

Im Februar wollte ich einiges ändern. Das letzte Jahr war nervenaufreibend, dann kam die Kur, mental wie körperlich hilfreich. Ich nahm mir vor, aktiv nach einer Freizeitpartnerin zu suchen. Ich hatte sogar kurz überlegt zu tindern. Der Lockdown war schneller. Durch eine gute Freundin wurde zudem die Lust darauf geweckt, ins Kabarett zu gehen und auf kleine Konzerte. Eine Abwechslung zum daheim herumsitzen. Es soll nicht sein. Ich hatte schon einen langen Blogtext vorbereitet, aber es bringt mich jetzt nicht weiter, über verpasste Gelegenheiten und unerfüllbare Träume zu katastrophieren. Hier möchte ich über das schreiben, was ich habe. Continue reading

Veränderungen

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Kraftort Vogelsangberg

Mein tägliches Wien-Tagebuch läuft weiter, dort schreib ich über die politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen, die sich im Zuge der Pandemie ergeben, und ein bisschen über meine persönlichen Umstände. Mein Autismus tritt scheinbar in den Hintergrund, ist aber natürlich sehr präsent. Ich würde hier gerne Tipps präsentieren, die ich selbst erfolgreich anwende, aber to be honest – ich hab immer noch keine (neuen) Routinen, geschweige denn einen Rhythmus.

Der Leitfaden von Leonard Schilbach ist dennoch empfehlenswert – bitte unbedingt weiterleiten!

Psychisch gesund bleiben während Social Distancing, Quarantäne und Ausgangsbeschränkungen auf Grund des Corona-Virus – Verhaltenstherapeutische Interventionen in einem Kurzprogramm zur Selbstanwendung

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Erinnerungen ans Studium

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Cat-5-Hurricane DORIAN, Quelle: NOAA, 02-09-2019-2136z

Der neueste Text von SWB spricht mir aus der Seele, wie immer, aber es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr sich unsere Erfahrungen gleichen. Ich hab 2003 in Mainz begonnen zu studieren. In der ersten Veranstaltung saßen 100 Studenten, auch da hatte ich das Gefühl, die meisten kennen sich, es wurde angeregt sich unterhalten. Die Lärmkulisse war ein Wahnsinn. Ich saß relativ weit hinten und hatte solches Magenknurren, dass eine Studentin neben mir mir mitleidig ein Knoppers anbot. Das hab ich dankend, aber unter Zittern und Schweißausbrüchen angenommen. Nach dem zweiwöchigen Mathecrashtest blieben noch 50 übrig, im zweiten Semester noch 10, als ich dann nach Innsbruck wechselte, waren es noch drei. Ich tat mir die ganze Zeit dort schwer mit anderen. Außer mir hatte nur eine weitere Studentin Interesse am Wetter von Kindesbeinen an. Ich hatte mir völlig falsche Vorstellungen über die Beweggründe der anderen gemacht! Der Großteil hatte keine konkreten Vorstellungen, was sie später machen wollten. Manche gaben zu, dass ihnen einfach nichts anderes eingefallen ist, oder dass sie Erdkunde in der Schule interessant fanden. Für mich hingegen war es völlig logisch, aufgrund meines Wetterhobbys (alias Spezialinteresse, so intensiv, wie ich es betrieb) Meteorologie zu studieren. Nach zwei Jahren Leistungskurs Chemie gegen Ende der Gymnasialzeit reizte mich das Fach zwar auch, aber es war mir zu viel Physik und Mathe dabei. Überraschung – auch Meteorologie besteht zu 90% aus Physik und Mathe, aber das hab ich ignoriert.

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Vorbereitungen, Checklisten und Routinen

Gut vorbereitet und gebrieft kann man gedanklich auch einmal abschweifen ohne schlechtes Gewissen.

Eines der Kernsymptome von Autismus ist die Furcht vor der Ungewissheit, vor allem, was außerhalb der eigenen Kontrolle liegt. Autisten bevorzugen tendenziell vorsehbare Zeiträume, wollen vorbereitet und möglichst gut informiert sein. Routinen bringen Regelmäßigkeit in den Alltag, vorhersehbare Abläufe, die beruhigen. Sehr wichtig sind für mich Aufgabenlisten auf Papier, wo ich regelmäßig notiere und aktualisiere, was in nächster Zeit zu tun ist. Dazu zählen Alltagsverpflichtungen, unaufschiebbare Einkäufe (z.b. Kleidung oder technisches Equipment), aber auch Haushaltsaufgaben wie waschen, putzen oder staubsaugen. Auch Spontanität ist bei mir geplant. Ich arbeite im Schichtdienst und habe immer wieder einzelne Tage unter der Woche der frei. Meistens unternehme ich dann selbständig etwas, während ich an freien Wochenendtagen eher zu zweit und mit mehreren unterwegs bin. Ich halte mir bewusst einzelne Tage komplett frei, wo ich mir nichts vornehme, keine Termine ausmache oder Verpflichtungen eingehe. Diese Tage sind für mich reserviert und es kann passieren, dass ich mich noch in der Früh umentscheide und etwas anderes tue. Ich muss mich dann nur vor mir selbst rechtfertigen.

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