Alle von uns sind im Innersten verwundbar, selbst wenn sie es nicht nahe an sich heranlassen. Jeder von uns zeigt Schwächen (und Stärken). Der perfekte Mensch müsste erst erfunden werden, wäre dann aber wohl ziemlich fad. So leben wir stattdessen mit unseren Mäkeln und Macken in den Tag hinein, und wundern uns, wie lange das meist gut geht. Offenbar hält es sich mit den Mäkeln und Macken der anderen meist die Waage.
Wir Autist*Innen [ich und manch andere Autisten im Spektrum, aber nicht alle, sonst wäre es kein Spektrum] machen uns meist zu viele Gedanken darüber, was wir alles falsch machen, wie wir anderen gegenüber erscheinen, ob unsere Kommunikation richtig angekommen ist. Die Stärke ist zugleich Schwäche, denn vom wohlgemeinten Selbstreflektieren ist der Grat schmal zu endlosen Gedankengrübeleien. Unsere bisweilen exzessive Selbstreflexion ist durchaus berechtigt angesichts kommunikativer Fettnäpfchen, missverständlicher Mimik und Gestik und dem Umstand, dass unser Gehirn häufig beschäftigt ist, die Umgebungsreizüberflutung auszublenden. Glücklicherweise gibt es Menschen, die sich auf Autismus einlassen können, einlesen können, und Rücksicht darauf nehmen, dass die Kommunikation zwischen Neurodiversen und Neurotypischen ein Minenfeld sein kann.
Manchmal entwickeln sich die Dinge anders als vorhergesehen. Die Chemie stimmt nicht mehr. Die gemeinsame Basis fehlt. Und dann fehlen die Löffel, um sich dem zu stellen, zu konfrontieren.
Leider geschieht dann noch etwas gleichzeitig, was herunterzieht, und man weiß gar nicht, wo man den Feuerlöscher zuerst ansetzen soll. Eigentlich hatte ich gehofft, dass das Zittern über meine Zukunft bis zum Herbstbeginn endlich vorbei ist. Das geht jetzt in Summe schon acht Jahre lang. Sesshaft werden? Eigentumswohnung kaufen? Eine ruhige Wohnung mit Nähe zum Wald? Ein längerer Urlaub wie eine Fernreise? Immer wieder wurde ich vertröstet. Dann heißt es einmal, die Zusage ist fix, dann kam die Pandemie dazwischen. Zittern, zittern, zittern. Dann die Nachricht am Geburtstag, Zusage ist fix, nur wo ist der Vertrag? Eine Woche später ist klar, dass noch nichts fix ist, während die Zeit verrinnt, bis zu der eine Entscheidung fallen sollte. Wieder zittern, und selbst wenn es ein Happy End gibt, sind die Aussichten nicht mehr so rosig.
Ich hab bei meinem vorherigen Arbeitgeber einiges erlebt, wo ich mir geschworen habe, dass ich das nie wieder erleben will. Weiter ausführen möchte ich das nicht. Nur: Das politische Klima hat sich geändert. Statt für Verbesserungen zu kämpfen, heißt es heute ständig zu schauen, die Verschlechterungen abzufedern.
Realistisch betrachtet ändert sich das Klima in den nächsten Jahren nicht, der Kurs in die falsche Richtung kann also weitergehen. Vor der Pandemie konnte ich vieles kompensieren, camouflagieren, Gefühle der Überforderung, kommunikative Hürden, Telefonate. Seit der Pandemie ist vieles schwerer gefallen, weil der Ausgleich nicht mehr ausreicht. Ich bin knapp unter meiner Grenze und weiß nicht, wie lange ich das durchhalte, wenn die Bedingungen noch fordernder werden.
Irgendwann fühlte ich mich nur noch als Passagier. Im letzten Beitrag hatte ich wieder Hoffnung. Überreaktionen machten sie zunichte. Auch von mir ja. Aber der Grad der Niedergeschlagenheit seit letzter Woche ist nicht in Worte zu fassen. Dann muss ich zeitlich dauernd Abstriche machen, schaffe nicht das, was ich mir vorgenommen habe. Das frustriert. Meine einzige regelmäßige Aktivität – einen dreimonatigen Boulderbasiskurs in der Kletterhalle – konnte ich nur zwischen dem alten und neuen Job unterbringen. Der neue Job begann dann früher und ich musste vorzeitig abbrechen. Regelmäßige Aktivitäten sind im Schichtdienst nicht möglich.
Es ist grad zu viel auf einmal, es brennt an allen Ecken gleichzeitig. Da hab ich noch nicht einmal erwähnt, wohin die Pandemiereise geht. Oder die Folgen der Klimaerwärmung.
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