Nicht annehmen, nachfragen!

nachfragen
Manchmal ist oben unten

Ein ungeouteter Autist im nichtautistischen Umfeld neigt bei ungünstigen Bedingungen zu einem enormen Leidensdruck. Sage ich nichts, gilt mein Verhalten als sonderbar. Habe ich mein “Coming Out”, werde ich womöglich mit Samthandschuhen angefasst oder mir wird im schlimmsten Fall nichts mehr zugetraut. Der Rat, bei derjenigen oder demjenigen nachzufragen statt ein fehlerhaftes Bild zu entwickeln, gilt unabhängig von Autismus. Zurückgezogenheit, Einsilbigkeit, Schwarzmalerei kann auch auf eine depressive Erkrankung hindeuten, und nicht nur auf chronische Unzufriedenheit oder Menschenhass.

Nachdem wiederholt betont werden muss, dass es sich bei Autismus um ein Spektrum mit enorm vielfältigen genetischen Ursachen und folglich individuellen Ausprägungen handelt, gibt es auch sehr viele, individuell verschiedene Verhaltensweisen, die bei manchen vorkommen, bei anderen nicht. Ich kann daher nur für mich sprechen.

In diesem Text soll es daher um Verhaltensweisen gehen, die für Nichtautisten auf den ersten Blick seltsam erscheinen und möglicherweise einen negativen Eindruck hinterlassen. Ich möchte hier verdeutlichen, dass jedes Verhalten einen Grund hat, den es zu hinterfragen gilt. Continue reading

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Essen gehen: Probleme und Tricks

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Single-Autisten erleben das unter verschärften Bedingungen. Ich muss mich selbst ernähren können, eine Alternative gibt es nicht. Manchmal hilft ein Lieferservice des Supermarkts, um die Einkäufe zu erledigen. Dann aber gibt es auch Situationen, wo ich nicht umhin komme, aktiv Essen zu beschaffen, etwa auf Reisen, oder wenn der Kühlschrank leer ist. Continue reading

Internet: Segen oder Fluch?

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Diesen Text kann man im Kontext von Autismus sehen, muss aber nicht so sein. Ich schrieb bereits im Jänner 2010 in einem 11-seitigen Essay über Vorzüge und Gefahren des Internets. Gefahren und Nachteile kann man ebenso im Licht des negativ konnotierten Kulturpessimismus sehen, aber auch als hinzunehmenden Umstand sehen, wie ihn jede technische Neuerung mit sich bringt. Ich halte nichts von Panikmache und Polemik, zu der sich Manfred Spitzer in seinen Bestsellern über den Niedergang der Kultur durch die digitale Revolution versteigt. Ich kenne die Gefahren, aber auch die Vorzüge und trage in nachfolgendem Text meine Gedanken zusammen:

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Kein Beruf für Autisten?

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Spezialinteressen kommen und gehen, manche bleiben ein Leben lang und werden schließlich zum Beruf gemacht. Vor der engeren Beschäftigung mit Autismus hielt ich mathematische Berufe für Autisten für stereotypisch. Das lag auf der Hand, logisch-analytisches Denken einzusetzen. Autisten in Sozialberufen? Als Schauspieler? Als Journalisten? Als Burlesque-Tänzerinnen? In ganz normalen Berufen? Ausgefallene Berufe? Was für viele neurotypische Menschen befremdlich erscheint, zeigen Studien und Erfahrungsberichte ganz deutlich: Autismus ist kein Widerspruch dazu, den Beruf auszuwählen, der einem Spaß macht – selbst wenn er auf den ersten Blick ungeeignet erscheint.

Zwar findet man in vielen Artikeln und Büchern über Autismus immer wieder mal den Hinweis auf das Wetterinteresse von (jungen) Autisten, aber nirgends liest man von autistischen Meteorologen. Es gibt sie: Ich bin einer von ihnen, der sein Spezialinteresse zum Beruf gemacht hat. Continue reading

Wie Angst, Reizüberflutung und Ungewissheit zusammenhängen

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Tiefblick bei Überquerung einer Schotterrinne. (c) by me

Ein spannender Artikel von Ann Grisworld, Spectrum News, beschreibt die Zusammenhänge zwischen Unplanbarkeit, Angsterkrankungen und sensorischer Überlastung bei autistischen Kindern.

Bis zu 84 % der autistischen Kinder leiden unter ausgeprägten Angsterkrankungen und bis zu 70 % zeigen extreme Überempfindlichkeiten auf Licht und Geräusche. Die Überreaktion auf sensorische Reize löst Ängste bei Autisten aus. Eine neue Studie stellt die These auf, dass die Furcht vor dem Unbekannten beide Erscheinungen fördert und dass ein verbesserter Umgang mit der Ungewissheit entsprechende Symptome lindern kann. Die Erkenntnisse stützen außerdem die Theorie, dass autistische Kinder die Welt als überwältigend wahrnehmen, weil sie sich damit schwer tun, Abläufe vorherzusehen. Autistische Kinder wollen ihre Umgebung kontrollieren, sie vorhersehbarer machen. Continue reading