
Das lässt sich vermutlich psychologisch irgendwie erklären, aber es war schon skurril: Bis 22. Februar wiederkehrende Magen-Darm-Beschwerden. War extra bei einer Spezialistin, hat mehrere Medikamente empfohlen (Antihistaminika, hochdosiertes VitC/Zink/Quercetin). Dann kam der Einmarsch Russlands in der Ukraine. Und seit Kriegsbeginn sind die Beschwerden weg. Vorher war es die hohe psychische Belastung wegen der extremen Fallzahlen mit der aufwallenden OMICRON-BA.2-Welle. Die Furcht, sich anzustecken, die Furcht vor LongCOVID trotz Impfung. Dann kam der Krieg und wie zu Pandemiebeginn 2020 verlor ich tagelang den Appetit – ich musste mich zum Essen regelrecht zwingen. Im Gegensatz zur Pandemie, die für mich durch intensive Recherche längst greifbar, bewältigbar und einschätzbar ist, regiert beim Krieg nur Ohnmacht. Man kann zwar helfen, aber sonst nichts tun und muss hoffen, dass es nicht über den vorherrschenden Genozid hinaus eskaliert – was bereits schlimm genug ist. Das ist eine andere Art von Stress, nicht beeinflussbar vom Ergebnis. Anscheinend schlägt die bei mir weniger auf den Magen. Ich konnte sogar wieder Bier und Schnaps trinken (hab es aber natürlich nicht übertrieben) und fast alles normal essen ohne Beschwerden.
Die Drohung mit nuklearem Gegenschlag hat dann auch nochmal ein unerträgliches Ohnmachtgefühl ausgelöst. Ich hab mir dann jeden Morgen gedacht, ok, es ist noch kein Atomkrieg, ich lebe noch. Priviligierte Hysterie, angesichts des andauernden Völkermords in den ukrainischen Städten, aber ich war zu jung, um die allgegenwärtige Bedrohung durch den Kalten Krieg zu erleben. Für viele meiner Generation, die erst nach dem Kalten Krieg und Zerfall der Sowjetunion “mündig” geworden sind, ist der Krieg und die atomare Bedrohung neu, ja selbst die Bedrohung durch einen Super-GAU mit beschossenen AKWs im Kriegsgebiet. Ich bin auf die Hügel rund um Wien spaziert und konnte mir schwer vorstellen, dass hier Atombomben alles auslöschen würden. Als Gegenmaßnahme hab ich dann die ältere Generation gefragt, wie sie das damals erlebt haben mit dem Eisernen Vorhang und der Kubakrise. Das hat schon etwas geerdet. Dann las ich auch weniger Schlagzeilen und mehr fundierte Analysen von Militärexperten. Ich fing auch das Buch von Timothy Snyder – Bloodlands an, der die Gräueltaten von Hitler und Stalin auf den Gebieten der Ukraine, Weißrussland und Polen beschreibt. Schrecken versachlichen, ich kenn das ja von der Pandemie.
Im nächsten Schritt hab ich nicht mehr so häufig Nachrichten über den Krieg gecheckt und mich wieder stärker auf die Pandemie konzentriert. Der nächste Ohnmachtstag kam, als das Ende der Gratis-PCR-Tests ab April beschlossen wurde. Es ist schon verdammt schwierig, derzeit positive Gedanken zu entwickeln. Am ehesten gelingt mir das, wenn ich frei habe und mich in der Natur bewegen kann. Aber auch das Schreiben hilft.

Es ist der 21. März, inmitten der BA.2-Welle. Es grenzt für mich an ein Wunder, dass ich mich noch nicht infiziert habe. Konsequentes FFP3-Maskentragen hilft. Am 01. März hab ich mir zudem eine 4. Impfung (offlabel, Moderna) geholt, knapp 4 Monate nach der dritten Impfung. Zu viele stark symptomatische Verläufe im Umfeld. Die Öffnungen ab 5.3. (“Freedom Day”) hatten sich abgezeichnet. Die letzten Wochen wurden immer mehr im näheren Umfeld krank. Ich hab schlichtweg kein Bock drauf.
Heute vor 6 Jahren hatte ich das letzte Mal einen starken grippalen Infekt. Bei der Rückkehr von einer Wanderung war das Gebläse der Klimaanlage im Auto zu kalt. Abends bekam ich Halsweh, am nächsten Tag und die ganze Woche lag ich mit hohem Fieber flach. 10 Tage später machte ich eine Wanderung in der Wachau, da war ich gerade erst frisch genesen. Ein paar Wochen später hatte ich dann das erst Mal Refluxbeschwerden und Histaminüberschuss-Reaktionen (MCAS-artig). Vielleicht auch eine Art “Long-Infekt”. Jedenfalls bin ich seitdem atemwegsinfektfrei, hab mir seit der Fußverletzung mit Schmerzen (Juni 2018 bis April 2020) schrittweise (wortwörtlich) wieder mehr Freiheiten und Reichweite erarbeitet, was Strecke, Höhenmeter und Gelände betrifft, Kondition ist wieder sehr gut. Ich hab schlichtweg keine Lust, jetzt mehrere Wochen oder noch länger wegen einer Covid-Infektion aussetzen zu müssen.
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