Wie geht’s weiter …?

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Uralte Eichen am Johannser Kogel im Lainzer Tiergarten, Wien

Nach dem Marathon der letzten Wochen kommen jetzt ruhigere Zeiten auf mich zu: Ich habe ein paar Tage frei zwischen den Diensten und kann mich besser erholen. Übermorgen bin ich beim Orthopäden und erfahre dann hoffentlich positive Neuigkeiten. Seit dem MRT-Befund vor 9 Tagen hab ich bis auf einen 9,4km langen Spaziergang vorgestern im Lainzer Tiergarten (mit häufigem Stehenbleiben) keine Wanderung mehr gemacht. Zugegebenermaßen macht mich das allmählich unrund. Ich war es vorher gewöhnt, mindestens alle 5-7 Tage eine Wanderung zu machen. Beim Wandern kann ich am besten Stress abbauen und Dinge durchdenken. Das war die letzten Wochen überhaupt nicht möglich. Immerhin habe ich seit einigen Tagen keine akuten Schmerzen mehr, auch nicht nach längerem Gehen. Ich werte das als gutes Zeichen. Übertreiben darf ich aber nicht sofort wieder, sondern muss jetzt vor allem abwarten, ob ich Einlagen bekomme und dann wieder Sport treiben darf. Continue reading

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Besuch des autistischen Planeten: Noise-canceling Kopfhörer

Seit Mitte April besitze ich erstmals “noise-canceling”-InEar-Phones (gegen die Kapselkopfhörervariante entschied ich mich, da ich Brillenträger bin). Nun, was soll ich sagen? Hätte diese schon vor zwanzig Jahren gebrauchen können. Es ist ein völliges neues Lebensgefühl, eine deutliche Steigerung an Lebensqualität und derzeit kann ich das besonders brauchen. Anfangs hab ich die Kopfhörer nur in der Wohnung getragen, wo sie vom lästigen Uhrenticken über den surrenden Kühlschrank bis hin zu den Stimmen aus den Nachbarwohnungen alles vollständig ausfiltern. Auch das Bohren von der Baustelle irgendwo im Haus wird damit zum Schweigen gebracht.

Inzwischen bin ich damit auch gerne draußen, nur in Gebieten mit Straßenverkehr schalte ich die “noise-canceling”-Funktion aus, weil man herannahende Verkehrsteilnehmer sonst gar nicht oder zu spät bemerkt. Eine spürbare Erleichterung und Stressreduktion bringen sie für mich vor allem in größeren Einkaufszentren und Supermärkten. Die surrenden Tiefkühlaggregate werden stumm, auch das hektische Gewusel wird ganz leise. Ich kann beinahe entspannt zwischen den Regalen flanieren und muss nicht mehr hektisch hinein- und hinausrennen. Auch in öffentlichen Verkehrsmitteln kann ich mich besser abkapseln. Dann höre ich über das Smartphone außerdem meine Lieblingsmusik, was den Effekt noch verstärkt. Gestern war ich mit ihnen im Tiergarten Schönbrunn – das hektische Umhertollen der Kinder können die Kopfhörer zwar nicht wegfiltern, aber die grellen Kinderstimmen auf ein erträgliches Maß reduzieren. Bisher war das der Hauptgrund, weswegen ich mich vorher oft viel kürzer als geplant im Zoo aufhielt.

Die “noise-canceling”-Funktion hätte mir damals im Studium und auch bei den Vorbereitungen auf die Prüfungen in der Ausbildung vor zwei Jahren wesentliche Nachteilsausgleiche gebracht. Ich hätte Ruhe beim Lernen gehabt. In schmerzlicher Erinnerung ist mir noch die Statistikprüfung auf der Uni Innsbruck vor über 12 Jahren, als hinter dem Raum gerade die alte Universitätsbibliothek abgerissen wurde. Ich konnte mich bei dem ohrenbetäubenden Lärm nicht konzentrieren und fiel bei der Prüfung durch.

Der einzige Haken der “Bose Quiet Comfort 20 Acoustic Noise Canceling“-Kopfhörer ist der Preis: Mindestens 200 Euro (beim Hersteller 250 Euro) wird man dafür hinblättern müssen. Auf Twitter meinte ich scherzhaft, jeder sollte zusammen mit seiner Diagnose ein gratis Paar Bose-Kopfhörer erhalten. Realistischer betrachtet könnte ich mir vorstellen, dass jeder mit einer offiziellen Diagnose (durch einen Facharzt) zumindest einen deutlichen Preisnachlass beim Hersteller bekommen sollte, entweder aus Kulanz des Herstellers bei Vorlegen eines entsprechenden Nachweises selbst (unwahrscheinlich, aber nicht völlig ausgeschlossen, das Unternehmen nagt nicht am Hungertuch) oder durch die Krankenkassen. Voraussetzung dafür ist aber überhaupt erst einmal, dass die erhöhte Reiz- und insbesondere Geräuschempfindlichkeit bei vielen (nicht allen!) Autisten als Teil der autistischen Grundsymptomatik anerkannt wird.

Im rückständigen Österreich ist mir überhaupt nichts bekannt, was überhaupt bei Autisten übernommen wird (2012 haben die Gebietskrankenkassen selbst ABA abgelehnt – zum Glück, muss man allerdings sagen, das Early Start Denver Model wird allerdings finanziell unterstützthier ein kritischer Artikel der autistischen Autismus-Forscherin Michelle Dawson aus dem Jahr 2010!). In Summe drehen sich etwaige Förderungen aber nur um (Klein-) Kinder und Jugendliche, Erwachsene fallen vollständig durch den Rost.

In meinen Augen tragen Hilfsmittel wie Noise-Canceling-Kopfhörer wesentlich zu einer Verbesserung der Lebensqualität von (erwachsenen) Autisten bei, sie verringern chronischen Stress durch immanente Reizüberflutung und können die Teilhabe an der Gesellschaft bzw. im Verrichten von Alltagstätigkeiten (Einkaufen, Bus/Zug fahren) erleichtern.

Neurotypische Augenpraxis

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Oder: Wie autististenfeindlich kann eine Praxis aufgebaut sein?

Ordination … ohne Privatsphäre, aber die hat man inzwischen nirgends. DSGVO my ass, es hört jeder Patient alles mit. Zwei Ordinationshilfen, räumlich nicht voneinander getrennt, hatte Probleme, die erste akustisch zu verstehen, während die zweite telefonierte. Also Wartezimmer, dann aufgerufen werden. Nebenbei erfährt man, dass der Augenarzt, der einem empfohlen wurde, gar nicht da ist, sondern eine Vertretung.

Wartezimmer … wie ein Kaffeehaus, mehrere Gespräche gleichzeitig, ständiges Kommen und Gehen. Aus schlechten Lautsprechern dröhnen die Aufrufe des Arztes, der etliche Namen falsch ausspricht. Ich sitze da wie auf glühenden Kohlen und hoffe, ich verstehe, wenn ich aufgerufen werde. Continue reading

warum…

…hab ich immer so ein sagenhaftes Pech mit Wohnungen …

Erstes Zimmer in Innsbruck, gestörte Vermieter, spionierten ständig hinterher, Mails und Anrufe wegen drei Fusseln vor der Waschmaschine. Dusche damals im Keller, Klo am Gang. Meldeten dann Eigenbedarf an, war aber nur die Frau, der Mann musste sich beugen.

Erste Garconniere in Innsbruck, Wände aus Papier. Nebenan jemand, der ständig ins Telefon brüllte, gegenüber ein Kindergarten, schräg gegenüber ein Studetenheim, wo jeden Sommer die Amerikaner sich bis zur Besinnungslosigkeit betranken. Außerdem Schlägereien direkt vor meinem Fenster. Wasserrrohre völlig korrodiert, Klos mehrfach verstopft.

WG in Wien. Keine gute Kombination aus Freund des Vermieters zugleich Chef der Firma. Hatte ein 12 qm Zimmer, der WG-Kollege breitete sich in der restlichen Wohnung aus, kein gemeinsam, sondern ich eher ein lästiges Anhängsel. Wohnung kostete 800, hat von mir 350 verlangt, obwohl ich gerade mal ein Fünftel der Wohnung nutzen konnte.

Wohnung in Ottakring. Wände wieder aus Papier. Betrunkener Arbeiter, ständig sehr laut, direkt unter mir. Schlafzimmer straßenseitig, immer die Nachtschwärmer zwischen Ottakringer und Thaliastraße. Starker Verkehrslärm. Polizei war damals mehrfach im Haus wegen dem Betrunkenen, der auch mal nachts um halb zwei am geöffneten Küchenfenster saß, kochte, rauchte und sich dabei laut unterhielt. An Fenster öffnen im Sommer war oft nicht zu denken, zumindest hatte ich Klimaanlage.

Wohnung in Salzburg, eh schon wissen, handwerkender Pensionist zwei Jahre durch, vom Vermieter und Makler übers Ohr gehauen.

Wohnung in Wien. Im November besichtigt, einen Tag vor meiner Nabelbruch-OP. Das war wohl der Fehler. Zu wenig Bedenkzeit, OP-bedingt keine Möglichkeit, später nochmal zu besichtigen. Vormieter sagten, es sei ruhig, man höre höchstens die Nachbarn am Balkon und über den Lüftungsschacht im Bad/WC. Was sie leider nicht sagten, war, dass man den Trittschall extrem hört. Ich hatte mir extra eine lange Liste geschrieben, worauf ich achten muss beim Einzug. Laminatböden-Dämmung und auf die Wohnung unter mir achten waren nicht dabei.

Bis auf die Garconniere in Innsbruck ist allen Wohnungsbezügen gemein, dass ich nie weitere Wohnungen anschaute, oft zeitbedingt, manchmal entfernungsbedingt und, schon lange, bevor ich die Diagnose hatte, waren Besichtigungen für mich enorm anstrengend.

Gut, in Wien sah ich mir damals vor dem Umzug nach Ottakring eine Wohnung in Neubau an, Massenbesichtigung. Gleich mal den ersten Fehler gemacht, weil ich meine Schuhe nicht sofort auszug. Belehrung von der Vermieterin wie von einer strengen Internatslehrerin. Und dann kamen zur angegebenen, eh schon überteuerten Miete, noch 80 Euro Strom extra dazu. Einer sagte sofort, er nimmt sie, mir war sie viel zu teuer.

Besichtigungen alleine sind too much information. Ich kann nicht gleichzeitig Makler/Vermieter/Vormietern zuhören, akustische Informationen aufnehmen/gewichten und auf alle Details in der Wohnung achten. Soviel Zeit bleibt oft auch gar nicht. Bei Massenbesichtigungen ist das Gefühl wie bei Bewerbung im Job, wo man einen besten Eindruck hinterlassen muss. Ich fühle mich eh schon unwohl, wenn ich bewertet werde, wie ich mich gebe, aber ich trete dann auch besonders gerne in Fettnäpfchen, wie etwa Schuhe nicht ausziehen, weil ich völlig überreizt bin in so einem Moment.

Mich ärgert gerade sehr vieles… Die Nabelbruch-OP bewusst im November, damit ich im Frühjahr wieder wandern/bouldern kann. Beides kann ich jetzt so, wie ich es die letzten 8 Jahre betrieben habe, die nächsten Monate vergessen. Ich hab ab dem Zeitpunkt, wo ich die Wohnung zusagte (4.11.) naturgemäß nicht mehr gesucht. Es sind jetzt Monate vergangen, wo ich meinen ursprünglichen Plan, einen Makler beauftragen, der für mich sucht, sehr wohl hätte umsetzen können. Mitte Februar und März hab ich bei den Erledigungen in der Wohnung und Dienstreisen in Wien das Hotel der Übernachtung in einer komplett leeren Wohnung vorgezogen. Ziemlich sicher wäre mir damals schon der starke Trittschall von unten aufgefallen. Ob mir diese Erkenntnis etwas genützt hätte, wäre eine andere Frage gewesen.

Jetzt hab ich den für mich persönlichen Tiefpunkt erreicht. Ich kann den Stress nicht wegbouldern oder meine langen Märsche machen, die oft dafür sorgen, dass ich wieder einen klaren Kopf bekomme. Beim Wandern kann ich am besten denken und neue Ideen entwickeln und Rückschläge auch am besten verarbeiten. Das geht gerade nicht.

Oberste Priorität für eine gelungene Rückkehr nach Wien hatte die RUHIGE Wohnung als Rückzugsort. Ich kann meine erhöhte Reizempfindlichkeit durch Asperger nicht ausblenden, darauf muss ich Rücksicht nehmen, dazu muss die Wohnung passen, auch wenn ich dafür ein Drittel mehr zahlen muss als nichtautistische Menschen. Ich hatte schon in Salzburg gemerkt, dass mich die 12-Stunden-Dienste mehr anstrengten und ich häufiger daheim blieb und nichts machte, um mich zu erholen. Ich wusste von Beginn an, dass es in Wien eher noch fordernder sein würde und der Rückzugsort Wohnung noch wichtiger. Jetzt kann ich wieder von vorne anfangen. Kann die erst abgeschlossenen Verträge wieder kündigen, muss schauen, dass ich meine neuen Möbel auch in die nächste Wohnung mitziehen kann samt Teppichen. Und die Wohnung muss passen, kein weiterer Fehltritt wird verziehen. Meine Gesundheit wirds nicht verzeihen.

Und es ist frustrierend, weil der Job passt (hier lesen auch Kollegen mit, aber deswegen höre ich nicht auf über das Leben mit Autismus zu schreiben). Mir taugt die neue Arbeit, die Kollegen sind alle hilfsbereit und ich komme gut zurecht. Mir taugt auch sehr, dass ich nicht alleine im Dienst bin. Das waren ja von Beginn an Bedenken, ich wäre nicht teamfähig wegen Asperger. Aber es ist das Gegenteil der Fall. Ich schätze den Input von Kollegen sehr. Der Austausch ist wichtig. Ich hab auch viele Gesundheitsangebote vor Ort, die ich in Salzburg nicht hatte. Massagen, Sehtest, Vorsorgeuntersuchungen, ein großes Gesundheitszentrum nebenan mit kurzen Wartezeiten. Es passt und es frustriert, weil die restlichen Umstände gerade nicht passen. Und ich es wieder nicht geschafft habe, beim wichtigsten Faktor Wohnen die richtige Entscheidung zu treffen. Ich bin jetzt in Wien angekommen, lebe aber den Alltag wieder aus dem Koffer. Ich kann die Wohnung nicht weiter einrichten und nicht zur Ruhe kommen. Alle freien Tage in den nächsten Wochen sind verplant. Letzte Nacht hab ich wenigstens mal acht Stunden geschlafen, daher kann ich jetzt diesen Blogtext verfassen und dabei einigermaßen gefasst klingen.

aktueller stand

ich komme derzeit einfach nicht zum bloggen.

** die Bosekopfhörer konnte ich gestern endlich abholen, erster Eindruck ist mal positiv

** ob die Nachbarn gestern leiser waren als vorgestern kann ich nicht beurteilen, weil ich am Abend unterwegs war

** heute MRT/Röntgen vom Fuß, dann entscheidet sich weiter, wie es mit der Einlagenversorgung aussieht. Ich brauch jedenfalls mehr als nur die (blaue) Sportsohleneinlage, weil die für die flachen Alltagsschuhe ungeeignet ist.

** neuer Arbeitsplatz macht Spaß, ich versuche, mehr Struktur hineinzubringen, Checklisten zu benutzen, so wie ich es früher auch immer gemacht habe. Von der Lautstärke her ist es weit weniger schlimm als erwartet, aber das Wetter war bisher auch sehr ruhig. Ein besseres Headset, was die Ohren komplett umschließt (so wie es Piloten benutzen), werd ich noch anfordern. Am schwierigsten sind Situationen, wenn ich telefonieren muss und nebenan brüllt einer ins Telefon. Fachlich komm ich aber klar, da hab ich kaum Bedenken.

Update, 18.04., eher nicht so rosig der MRT-Befund. Deutliches Knochenmarködem unter dem Sesambein… so oder so lange Sportpause, ich hoffe nur, dass ich nicht komplett ruhigstellen muss. Aber mein lang geplanter Slowakei-Urlaub Mitte Juni ist gefährdet, und überhaupt, nach Ostern hab ich endlich wieder mehrere Tage in Folge frei, und weiß mit dieser Zeit jetzt überhaupt nichts anzufangen. Mir wird sicher vorgeschlagen, auf Schwimmen umzusteigen, aber das hab ich leider verlernt und war noch nie meines, alleine schon gar nicht. Radfahren weiß ich nicht, ob sinnvoll ist, beim in die Pedale treten … kann sämtliche Wanderplane bis zum Sommer in die Tonne treten.

Die Folgewirkungen sind das Problem. Weniger Sport heißt mehr Rückenbeschwerden, heißt unausgeglichen, dass ich Stress nicht abreagieren kann, wie die Geräusche in der Wohnung oder stressige Dienste. Und die Bewegung brauch ich langfristig wegen meiner Osteopenie, dem Nierensteinrisiko, etc… das ist meine Lebensversicherung, gerade mit dem Schichtdienst. Leider hab ich ausgerechnet die nächsten Tage sehr wenig Freizeit, um das alles zu verdauen und zu akzeptieren, dass das Jahr 2019 für die Fische ist.

*Update, 18.4., ich übernachte ab sofort auswärts.

Update, 19.4., hatte wenigstens fünf Stunden Schlaf bei einer Bekannten, die mir spontan einen Platz angeboten hat. So eine Situation hatte ich in 35 Jahren noch nie, dass ich nur 2 Wochen nach dem Umzug nicht in der eigenen Wohnung schlafen kann. Würde am liebsten sofort ausziehen, leider völlig utopisch, zeitlich, von den Kräften her, von der Gesundheit, organisatorisch.