Erinnerungen ans Studium

dorian
Cat-5-Hurricane DORIAN, Quelle: NOAA, 02-09-2019-2136z

Der neueste Text von SWB spricht mir aus der Seele, wie immer, aber es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr sich unsere Erfahrungen gleichen. Ich hab 2003 in Mainz begonnen zu studieren. In der ersten Veranstaltung saßen 100 Studenten, auch da hatte ich das Gefühl, die meisten kennen sich, es wurde angeregt sich unterhalten. Die Lärmkulisse war ein Wahnsinn. Ich saß relativ weit hinten und hatte solches Magenknurren, dass eine Studentin neben mir mir mitleidig ein Knoppers anbot. Das hab ich dankend, aber unter Zittern und Schweißausbrüchen angenommen. Nach dem zweiwöchigen Mathecrashtest blieben noch 50 übrig, im zweiten Semester noch 10, als ich dann nach Innsbruck wechselte, waren es noch drei. Ich tat mir die ganze Zeit dort schwer mit anderen. Außer mir hatte nur eine weitere Studentin Interesse am Wetter von Kindesbeinen an. Ich hatte mir völlig falsche Vorstellungen über die Beweggründe der anderen gemacht! Der Großteil hatte keine konkreten Vorstellungen, was sie später machen wollten. Manche gaben zu, dass ihnen einfach nichts anderes eingefallen ist, oder dass sie Erdkunde in der Schule interessant fanden. Für mich hingegen war es völlig logisch, aufgrund meines Wetterhobbys (alias Spezialinteresse, so intensiv, wie ich es betrieb) Meteorologie zu studieren. Nach zwei Jahren Leistungskurs Chemie gegen Ende der Gymnasialzeit reizte mich das Fach zwar auch, aber es war mir zu viel Physik und Mathe dabei. Überraschung – auch Meteorologie besteht zu 90% aus Physik und Mathe, aber das hab ich ignoriert.

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Vorbereitungen, Checklisten und Routinen

Gut vorbereitet und gebrieft kann man gedanklich auch einmal abschweifen ohne schlechtes Gewissen.

Eines der Kernsymptome von Autismus ist die Furcht vor der Ungewissheit, vor allem, was außerhalb der eigenen Kontrolle liegt. Autisten bevorzugen tendenziell vorsehbare Zeiträume, wollen vorbereitet und möglichst gut informiert sein. Routinen bringen Regelmäßigkeit in den Alltag, vorhersehbare Abläufe, die beruhigen. Sehr wichtig sind für mich Aufgabenlisten auf Papier, wo ich regelmäßig notiere und aktualisiere, was in nächster Zeit zu tun ist. Dazu zählen Alltagsverpflichtungen, unaufschiebbare Einkäufe (z.b. Kleidung oder technisches Equipment), aber auch Haushaltsaufgaben wie waschen, putzen oder staubsaugen. Auch Spontanität ist bei mir geplant. Ich arbeite im Schichtdienst und habe immer wieder einzelne Tage unter der Woche der frei. Meistens unternehme ich dann selbständig etwas, während ich an freien Wochenendtagen eher zu zweit und mit mehreren unterwegs bin. Ich halte mir bewusst einzelne Tage komplett frei, wo ich mir nichts vornehme, keine Termine ausmache oder Verpflichtungen eingehe. Diese Tage sind für mich reserviert und es kann passieren, dass ich mich noch in der Früh umentscheide und etwas anderes tue. Ich muss mich dann nur vor mir selbst rechtfertigen.

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Nach dem “Urlaub”

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Eine Woche am Kärntner Weißensee, “Deutschlands Süden”, wie es mein Kollege scherzhaft nannte, aber es stimmt. Zu 90% deutsche Urlauber, ein wenig Gardaseefeeling. Ich fühlte mich wie ein Neutrum, kannte mich geographisch gut aus, verstand den Dialekt der Einheimischen, feierte meinen 15. Jahrestag in Österreich am vergangenen Samstag, und doch werde ich vom Dialekt her als Deutscher sofort identifiziert. Auf der Rückfahrt im 4er Abteil fragte mich der Kärntner direkt “Woher aus Deutschland kommen Sie?” Das war Premiere, erstmals und endlich eine konkrete Frage und nicht das rhetorische “Kommen Sie aus Deutschland?” (siehe Eva Steffen. Wir sind gekommen, um zu bleiben.) Das hab ich entsprechend gerne beantwortet, zumal der Fragesteller ein Bahnfreak war und wir uns gut drei Stunden über Züge und Bahnstrecken unterhalten haben (nachdem mein reservierter Zug ausfiel und durch eine Ersatzgarnitur ohne Speisewagen und geringem Getränke/Speiseangebot ersetzt wurde). Continue reading

Schmerz-Chronologie – Sesambeinproblem

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Mostalm bei Wien, fernab der hektischen Großstadt

Inzwischen haben schon drei Orthopäden, 1 Physikalischer Arzt, 1 Physiotherapeutin und 3 Bandagisten mit meinem Fuß zu tun gehabt. Wegen den vielen Wechseln inklusive neuer Einlagen und alternativen Sportversuchen ist es für mich schwer zu sagen, ob und was sich verbessert hat. Dank meines penibel geführten Tourenbuchs kann ich aber gut abschätzen, wann die Schmerzen auftraten und wie sie sich weiterverhielten. Der Grund, warum ich das öffentlich mache … vielleicht bewahrt es den ein oder anderen übermütigen vor der gleichen Tortur, speziell, wenn man sein Spezialinteresse zu exzessiv auslebt, egal ob Autist oder Nichtautist. Zum Anderen ist es für mich selbst wichtig, immer wieder nachschauen zu können, wo ich gerade stehe, was sich verändert hat, was ich verbessern kann. Continue reading

Strategien von Autisten im Umgang mit Schwierigkeiten im Berufsalltag (II)

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Ruhepol der Natur als Energieressource für den Berufsalltag

Dieser Beitrag war schon länger geplant, ist aber doch relativ umfangreich in der Umsetzung. Im ersten Teil hab ich das Buch Kohl, Seng, Gatti (Hrsg.): Typisch untypisch. Berufsbiografien von Asperger-Autisten. Individuelle Wege und vergleichbare Erfahrungen, 2017 umfangreich rezensiert (Link). Im zweiten Teil geht es um einen gemeinsamen Nenner bei der Beantwortung der vorformulierten Interviewfragen für die 22 interviewten Autistinnen und Autisten. Ich möchte mich dabei auf konstruktive Strategien bei Problemen im beruflichen Alltag beschränken. Welche Bewältigungsstrategien funktionieren, was führt zu einer Verschärfung der Problematik? So mancher Leser mag sich denken, hey, das kenne ich auch und ich bin nicht autistisch! Aber das ist kein Widerspruch, denn es gibt keine autistischen Alleinstehungsmerkmale. Erst die Summe bestimmter Symptome qualifiziert für die Diagnose Autismus. Manche Strategien helfen neurotypisch denkenden Menschen also genauso, andere laufen intuitiver ab als bei Autisten – sie müssen darüber nicht extra nachdenken.

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