Geschäfte und Lokale für Autisten in Wien?

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Ruhiger Gastgarten mit Katzen – Ich hab das Paradies gefunden

Vorab, weil ich es immer wieder höre: Natürlich leiden auch viele Nichtautisten unter dem Lärm und der generellen Reizüberflutung durch Menschenmassen. Aber das ist dann nur ein ausgeprägtes Symptom von vielen weiteren Symptomen, die zu autistischem Stress führen, der häufig chronisch wird und die Lebensqualität beeinträchtigen kann.

Meine subjektiven Kriterien für ein ideales Restaurant oder Kneipe zum Weggehen:

  • Musik in erträglicher Lautstärke (nicht schreien müssen, um sich zu verstehen)
  • Keine mit Sitzgelegenheiten zu vollgestopfte Räume, bei denen man sich aneinander vorbeiquetschen muss
  • Allgemeiner Geräuschpegel, was auch mit Raumhöhe und Bauart zu tun hat (schlimm sind Keller …)
  • Geräuschpegel, den die Bar (Kaffeeautomat) und Küche (z.b. in Kaffeehäusern) verursacht
  • Einsehbarkeit von außen: Bestenfalls große Fensterfronten, sodass ich freie Plätze erspähen kann, bevor ich das Lokal betrete (war früher ein Totschlagkriterium)
  • Dieser Punkt kollidiert allerdings mit: Rückzugsmöglichkeiten durch (verwinkelte) Nebenräume, die vom Lärmpegel des Hauptraums abgetrennt sind
  • Nichtraucher: Getrennte Bereiche funktionieren oft gar nicht (Tür bleibt ständig offen, die Kleidung stinkt danach trotzdem)
  • Schanigarten: Der “Gastgarten” am Gehsteig ist oft ein No-Go, weil man den Straßenlärm direkt daneben hat.
  • Gastgarten: Leider häufig ebenfalls ein No-Go wegen den vielen Rauchern. Auf Rauch reagiere ich immer empfindlicher und beim Essen mag ich es schon gar nicht.

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“Falter”: Die Mär von zu wenig Empathie

Erst vor kurzem hatte ich über einen Artikel in der Wiener Wochenzeitung “Falter” gebloggt, ein entsprechender Leserbrief wurde (gekürzt) auch veröffentlicht. Heute wurde ein weiterer Leserbrief von jemandem abgedruckt, die “seit fünf Jahren zum Thema Behinderung im Bereich Kommunikation/PR in Organisationen” arbeitet. Sie moniert, dass viele Artikel platt sind, Stereotypen bedienen und über Menschen mit Behinderung schreiben, als seien sie entweder Helden oder bemitleidenswerte Opfer, die Reportage im Falter habe das nicht getan. Ich respektiere natürlich, dass man zur Qualität des Artikels eine andere Meinung haben kann. Jedoch geht es hier um Autismus im Speziellen und nicht um irgendeine körperliche Behinderung. Fünf Jahre Außensicht zum Thema Behinderung allgemein reichen nicht aus, um zu beurteilen, ob hier korrekt über die autistische Wahrnehmung berichtet wurde. Heute ereilte mich die Empörung zahlreicher Frauen in meiner Twitter-Timeline, dass der Feuilletonchef Dusini im Falter zum Thema “Tugenden in Zeiten des Shitstorms”, mit Gabalier und Sargnagel als Protagonisten, kommentiert, relativ prominent auf Seite fünf, wo normalerweise das Leitkommentar von Armin Thurnher steht. Zahlreiche Screenshots zeigten die provokativen Zeilen. Da ich zufällig die aktuelle Ausgabe besaß, las ich weiter und gleich im nächsten Satz steht “Manchmal hilft vielleicht auch das Asperger-Syndrom.” Continue reading

Flashbacks

ffDie sentimentalen Phasen nehmen gerade zu. Ich bin (zuviel) alleine und habe viel Zeit, über verpasste und genutzte Chancen nachzudenken. Als ich von Wien nach Salzburg wechselte, hatte ich keine andere Wahl. Entweder weiter auf Teilzeit bleiben, bis auch die Reserven rasant schwinden, oder einen Vollzeitjob in einer fremden Stadt ohne soziales Auffangnetz. Zum Zeitpunkt der alternativlosen Wahl war es die richtige Entscheidung. Dass ich so abhängig sein würde von meinen (geliebten) Türöffnermenschen, war mir nicht bewusst. Ich hoffe, dass es keine Jahre bis zur Rückkehr werden. Salzburg ist für mich Exil, so günstig der Arbeitsplatz für mich auch ist. Dabei war der Weg dorthin ein persönlicher Meilenstein.

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Die Folgen von Mobbing

Im Hinblick auf den Amoklauf in München am Freitagabend möchte ich gleich einmal ein paar Verallgemeinerungen aus dem Weg räumen:

  • Mobbingopfer werden nicht automatisch zu Amokläufern.
  • Wer gewaltverherrlichende (Computer/Video-)spiele spielt, wird nicht automatisch zu einem Massenmörder.
  • Depressive Menschen werden nicht automatisch zu Amokläufern.
  • ADHS oder Autismus sind nicht die Ursache für erhöhte Neigung zu Gewalt, sondern in vielen Fällen die Ursache, zum Mobbingopfer zu werden.
  • Depressionen sind dann die Folge von Mobbing, aber auch Begleitumständen.

So… und jetzt schaut bitte ein wenig auf die Statistik, wie viele Menschen mit Depressionen, ADHS oder Autismus es gibt. Ja, die Zahl ist mehr als zweistellig. Die Amokläufer oder Todesflieger der vergangenen 10-15 Jahre kann man an einer Hand abzählen.

Warum werden Menschen gemobbt?

In den meisten Fällen, weil sie nicht mit dem Strom schwimmen, sondern irgendwie auffallen. Durch Äußerlichkeiten (Frisur, Gangart, Körpergröße, Gewicht, körperliche Behinderung) aber auch durch eine andere Wahrnehmung (wie ADHS oder Autismus) und damit verbunden zum Teil auch kommunikative Auffälligkeiten (naive Menschen lassen sich besonders leicht mobben).  Nicht jedes gemobbte Kind ist Autist oder ADHSler, aber die meisten Autisten und ADHSler werden in irgendeiner Phase des (oft jungen) Lebens gemobbt. Posttraumatischer Stress, Angsterkrankungen wie soziale Phobien sind oft die Folge. Ein erhöhtes Suizidrisiko unbehandelt die Konsequenz.

In diesem übersetzten Blogtext werden weitere Gründe, gemobbt zu werden genannt:

  • Autisten neigen eher dazu, in einer Gruppe aufzufallen.
  • Autisten haben nicht immer einen so großen Freundeskreis, der sich für sie einsetzt.
  • Viele tun sich schwer, die sozialen Signale der anderen zu erkennen und deren Absichten richtig zu deuten.
  • Tendenz, Gesagtes wörtlich zu nehmen.
  • Autisten zeigen meist die Reaktion, die mobbende Personen sich erhoffen.
  • Autisten tun sich aufgrund der kommunikativen Schwierigkeiten oft schwer, Eltern oder Lehrer um Hilfe zu bitten.

Das muss nicht nur explizit bei Autismus so sein, sondern kann auch auf Nichtautisten zu treffen. Sobald jemand “aus der Reihe fällt”, wird er/sie zur Zielscheibe von Mobbing, sofern er/sie nicht genügend Selbstwertgefühl entwickelt hat, dass ihm/ihr die Hänseleien sonstwo vorbeigehen. Das kann manchmal äußerlich so wirken, aber innerlich brodelt es dann weiter. Das ist ja auch das Problem von Depressionen, dass sie nach außen hin oft nicht sichtbar sind, wenn man die subtilen Signale nicht erkennt. Im oberflächlichen Smalltalkkontakt lässt sich das meist noch überspielen.

Unabhängig davon, welche Faktoren noch eine Rolle für den jüngsten Amoklauf spielten, müssen wir dringend über die Verrohung der gesellschaftlichen Zustände reden. Denn Mobbing beginnt nicht nur bei dem Einzelnen, bei schlechter Erziehung der “Täter” (sowohl des Amokläufers als auch der mobbenden Personen), sondern wird von den gesellschaftlichen Faktoren vorgegeben – die wir alle kennen:

  • Zweiklassengesellschaft
  • sozialer Abstieg
  • keine Vorbilder
  • selbst von der Politik/Regierung Verstärkung von stigmatisierenden Bildern (Arbeitslose, Migranten, Flüchtlinge)
  • verhetzende, übertriebene Berichterstattung, die Betroffene unter Generalverdacht stellt
  • mangelnde Bereitschaft zur richtigen Umsetzung von Inklusion in den Schulen (sich querstellende Lehrer, bürokratische Hürden)
  • auseinanderfallendes Gesundheitssystem
  • Mangel an Psychologen (v.a. Kinder/Jugendpsychiatrie, aber auch Erwachsene)
  • Krankheitsstempel für alle, die nicht einer sozialen Norm entsprechen (ICD-10 und DSM-V befeuern dies nur, siehe Allen Frances: Normal. Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen)
  • Perspektivlosigkeit bei den Berufsaussichten, das gerade psychisch kranke oder neurologisch andere Menschen besonders trifft.
  • etc.

Wie zu Beginn geschrieben, Mobbingopfer werden durch diese Faktoren nicht automatisch zu Amokläufern. Aber es entsteht ein oft lebenslanger Leidensdruck, wenn nicht auf sie zugegangen wird. Mobbing sollten wir also nicht nur bekämpfen, um die 0,1 % Gefahr eines Amokläufers zu reduzieren, sondern um den Betroffenen langfristig eine Perspektive zu geben, dass sie nicht in das Gefühl der Ausweglosigkeit abrutschen.

Wir könnten jetzt Killerspiele verbieten, aber das ändert am Leidensdruck nichts. Verbote lassen sich zudem umgehen. Wir könnten die Waffengesetze verschärfen, aber detto. Das sind kurzfristige, medienwirksame Symptombehandlungen, die nichts daran ändern, dass bei gesellschaftlich einfach so hingenommenen und oft ignorierten Zuständen wie Depression und/oder Mobbing weggesehen wird – weil sich ja die fundamentale Betrachtungsweise “Nach mir die Sintflut” ändern müsste.

Baustellen in Österreich

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Österreich hat generell einen erhöhten Nachholbedarf, was Menschen mit Behinderung betrifft, und einen sehr großen Nachholbedarf, was Autismus betrifft. Das fängt bereits damit an, dass im allgemeinen Sprachgebrauch Autismus von Asperger abgegrenzt und das Vorhandensein eines Spektrums ignoriert wird. Wie in vielen Ländern und speziell im medizinischen Kontext wird unter Autismus eine Störung, Krankheit oder Erkrankung verstanden. Medienberichte neigen dazu, nur die rein defizitorientierten Merkmale von Autismus – oder das krasse Gegenteil, die Inselbegabung, hervorzuheben. In dieser Polarisierung, nicht zuletzt auch die Beschränkung besonderer Fähigkeiten auf den mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich, finden sich nicht alle Autisten wieder. Weiters klammert man dadurch frühkindliche Autisten aus, denen häufig eine geistige Behinderung nachgesagt wird, wenn sie nicht sprechen oder vom äußerlichen Verhalten sehr auffällig erscheinen.
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