Die Gallenblase ist draußen

Die gute Nachricht ist: Die Gallenblasen-OP verlief komplikationsfrei und ich bin am Weg der Besserung. Vielmehr noch: Es geht mir besser als die letzten sechs Jahre und der Verdacht erhärtet sich, dass die ersten Refluxbeschwerden über vermeintliche Histaminunverträglichkeit bis hin zu den wiederkehrenden Magenschleimhautentzündungen vorwiegend durch Gallenreflux verursacht waren. Warum ist da kein Arzt drauf gekommen???? Ich bekam Pantoprazol, hatte vier Magenspiegelungen – außer einem kleinen Zwerchfellbruch wurde nichts gefunden. Die Biopsien waren immer negativ, die Blutwerte meistens unauffällig, aber Entzündungswerte oft erhöht. Der Gallenstein wurde 2019 beim ersten Termin bei der neuen Urologin zufällig festgestellt. Sie hatte beim Ultraschall der Nieren “versehentlich” den Unterbauch mitbeschallt und hat ihn so entdeckt. Ich hatte damals schon chronische Magendarmbeschwerden, hätte sie aber nicht auf den Gallenstein zurückgeführt. Die Ärztin hat damals gesagt, solang er keine Symptome verursacht, müsste ich nicht aktiv werden.

Ich hab jahrelang immer wieder mit Säureblockern versucht, den Reflux in Griff zu kriegen. Im Jänner 2022 war ich bei einer Internistin und wollte dem Verdacht auf Mastzellenaktivierungssyndrom (MCAS) auf den Grund gehen. Ich bekam Antihistaminika und “Gut Decision” (hochdosierte Vitamine C und D, Zink und Quercetin) verschrieben. Subjektiv brachte aber nur Famotidin kurzzeitig Linderung, es kann aber genauso gut das Weglassen fettreicher, süßer und alkoholischer Nahrungsmittel gewesen sein. Und zufällig sind fast die identischen Lebensmittel potentielle Auslöser für Gallenkoliken. Interessanterweise konnte ich in beschwerdefreien Zeiten nämlich alles essen, auch histaminreiche Produkte. Natürlich kann ich nicht ausschließen, dass Unverträglichkeiten dennoch bestehen, aber derzeit kann ich z.B. wieder Beerenobst essen, ohne Krämpfe zu bekommen, ich kann spätabends etwas essen, ohne, dass es im Magen liegt. Ich hab nicht ständig Blähungen und Aufstoßen vom Essen. Es ist tatsächlich ein neues Lebensgefühl! Laut Ärzten und anderen Betroffenen soll sich vieles wieder normalisieren, ich werde auch fettreichere Nahrung zu mir nehmen können, sollte aber nicht zu oft und zu große Portionen davon essen.

Die letzten Wochen waren dennoch eine emotionale Achterbahnfahrt.

  • Die Laboruntersuchung bei extrem schlechten CO2-Werten und Hoffnung, dass die Maske dicht hielt. Mit akuter Infektion wäre die OP sicher verschoben worden.
  • Die drei Stunden Wartezeit auf das OP-Vorgespräch und dann vergaß die Anästhesistin ihre Unterschrift.
  • Die kurzfristige Verlegung der OP in ein Privatspital (ohne Zusatzkosten)
  • Ärzte, Pfleger und Reinigungspersonal mit Maske unter der Nase, unterm Kinn, auf der Stirn – selbst im Aufwachraum
  • Extrem schlechte CO2-Werte (über 2000ppm) im Zweibettzimmer
  • Die Schwester, die mich aufforderte, die Maske abzusetzen vorm erstmaligen Aufstehen, das sei doch viel zu anstrengend (warum gehen sie immer von sich aus? Ich hatte mich daran gewöhnt)
  • Keine ärztliche Untersuchung mehr vor der Entlassung – an einem Tag mit über 35°C draußen. Ich war skeptisch, die Schwester in der Früh auch, sie meinte, ich soll noch etwas warten. Dann sah ich stundenlang niemand mehr. Nach dem Mittagessen war der beinahe vorwurfsvolle Unterton, was ich immer noch hier machen würde. Ich fuhr dann mit dem Taxi nach Hause.
  • Der Entlassungsbrief war eine einzelne DinA4-Seite, worauf die Diagnose stand, dass eine OP gemacht wurde und in drei Tagen die Klammern entfernt werden sollten. Keine Nachsorge-Empfehlungen wie bei früheren OPs. Keine Entlassungsbefunde.
  • Nach drei Tagen fuhr ich mit dem Taxi zur Ordination, mit den Öffis wären es 30min Fahrtzeit gewesen. Es war wieder brütend heiß. Andere Betroffene und meine Vertretungsärztin – die Hausärztin, selbst Chirurgin und eigentlich prädestiniert für mein Problem, war leider im Urlaub – waren irritiert, dass die Klammern so früh entfernt werden sollten. Die Ärztin in der Ordination, die alleine für Verbandswechsel und solche Aufgaben zuständig war, versicherte mir, das sei aufgrund der kleinen Schnitte vertretbar, zudem sei die “Unterhaut” nicht verletzt wie bei größeren Bauchschnitten. Ich hab nicht genauer nachgefragt.
  • Die zwei Wochen danach waren schlimm aufgrund der ständigen Hitze. Ich hätte mich bereits bewegen dürfen, Spaziergänge, aber es war ständig zu heiß. Aufgrund der hohen Infektionszahlen verspürte ich auch wenig Lust, mit den Öffis quer durch die Stadt zum nächsten größeren Waldgebiet zu fahren.
  • Letzten Dienstag war ich dann bei meiner Hausärztin wegen Ernährungsberatung. Die junge Sprechstundenhilfe wollte Befunde haben und rief in der Klinik an. Die hatten weder Name noch Geburtsdatum von mir. Auch das Privatspital hatte keine Daten und verwies auf die Klinik, die für die Befundausstellung zuständig sein würde. Dort fuhr man meine Sprechstundenhilfe offenbar sehr unfreundlich und untergriffig an, sodass diese den Namen ihrer Gesprächspartnerin wissen wollte. Die legte einfach auf. Sie war empört, das hätte sie noch nie erlebt sowas, und beschwerte sich bei der Klinik wegen dem Umgangston. Niemand hatte Befunde von meinem Aufenthalt. Sie rief dann bei der Krankenkasse an. Die mussten ja was haben für den Versicherungsauszug. Und es gab tatsächlich Befunde! Sie konnten die aber nicht faxen an die Arztpraxis. Stattdessen bekam ich ein E-Mail vom Privatspital an meine private Adresse. Ich saß da schon im Arztzimmer und schaute nur auf den Link, dem ein Passwort beigefügt war. Eine Minute später kam ein zweiter Link, den ich übersah. Erst daheim sah ich, dass es zwei Links mit separaten Passwörtern waren, die aber nur 15 Minuten gültig waren. Antworten konnte man auf das automatisch generierte E-Mail nicht. Juhu!
  • Die Hausärztin fiel aus allen Wolken, als ich ihr erzählte, dass die Klammern bereits nach drei Tagen entfernt wurden. Sie widersprach der anderen Ärztin – Klammern immer erst nach 5-8 Tagen entfernen, egal wie groß die Schnitte wären. Ich ließ sie einen Blick auf die Narben werfen und sie meinte, die Ärztin hätte Glück, dass alles gut verheilt sei. Ich bin seitdem etwas beunruhigt und hoffe, dass die Schnitte gut zusammengewachsen sind und nicht unter stärkerer Belastung wieder aufgehen.
  • Ich erzählte der Ärztin auch, wie es um die Maskendisziplin im Spital bestellt war und wie schlecht die Luftqualität dort war. Während ich ihr das erzählte, hatte ich mein Aranet4-CO2-Messgerät am Schreibtisch stehen, das gerade einen neuen Rekordwert von 2451ppm erreichte. Hätte ich meine FFP3-Maske abgenommen, hätte ich mich mit irgendwas infizieren können, was ihre Patienten die vier Stunden vor meinem Termin “hinterlassen” haben.
  • Sie machte mir Mut, dass sich das mit dem Essen und Verdauung normalisieren würde, dass ich alles tun könnte, worauf ich Lust hätte, nur schweres Heben und Tragen sollte ich noch bis Ende August unterlassen.

Natürlich konnte ich meinen Mund nicht halten und sprach die aktuelle Aufhebung der Isolationspflicht an. Überraschenderweise war sie eine Befürworterin und brachte alle Argumente, die Gesundheitsminister Rauch auch vorbrachte. Ich hatte sie anders eingeschätzt, vielleicht war sie aber auch frustriert angesichts der letzten zwei Jahre. Sie meinte, ich müsse nur in die U-Bahn schauen oder dass sie im Flugzeug die einzige Familie war, die Maske getragen hat. Die Leute würden nichts mehr mittragen, es sei der Zeitpunkt gekommen, Covid wie eine Grippe zu behandeln.

Ich – Autist mit Affinität zu Fettnäpfchen – widersprach ein paar Mal und vergaß in dem Moment einfach, dass sie jetzt seit über vier Stunden nonstop Patienten behandelt hatte, ich der letzte Patient des Tages war, und sie wahrscheinlich endlich Feierabend machen wollte. Unser Gespräch war ohnehin ein Zugeständnis von ihr, weil sich die Sprechstundenhilfe in der Woche geirrt hatte, das Gespräch wäre erst in der Folgewoche geplant gewesen, aber ich durfte dann doch bleiben. Sie wollte das Gespräch dann auch erkennbar beenden und gab mir mit, dass ich mehr Normalität wagen sollte, ins Freie gehen sollte ohne Maske. Schon wieder die aufs Gegenüber projizierte Maskenabneigung – gut, sie trägt den Fetzen täglich in der Ordination quasi ohne Pause, aber ich hab wirklich kein Problem damit, es ist allenfalls finanziell ein Mehraufwand, der mir nicht abgegolten wird, aber für mich ist die Maske wie meine Brille ein Hilfsmittel, mit dem ich weitgehend normal leben kann, so wie für Gehbehinderte der Rollstuhl oder für Gehörlose das Cochlea-Implantat.

Frustrierend ist der Umgang der Gesellschaft mit jenen, die sich vor einer Infektion schützen wollen. Das belastet mich mehr als eine Maske zu tragen, die mir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen mehrwöchigen Krankenstand und potentielle Spätfolgen erspart. Die letzten Wochen waren ja gerade deswegen belastend, weil ich weitgehend isoliert war, keine Süßigkeiten essen, keine Genusslebensmittel und kein Alkohol trinken und kein Sport treiben durfte. Angesichts der nervenaufreibenden Politik und den weltweiten Hiobsbotschaften über Kriege und neue Viren hätte ich mich etliche Male gerne besoffen, hätte gerne kiloweise Schokolade gefuttert oder mich wenigstens bewegt und dabei Frust abgebaut. Stattdessen saß ich nahezu bewegungs- und denkunfähig bei 28 Grad in der Wohnung und schrie meine Emotionen ins Worldwideweb hinaus.

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