übersetzt aus dem Englischen
von Jeannie Davide-Rivera (Originaltext auf Englisch)
Ich weiß nicht, ob mein Problem mit dieser Frage an sozialen Erwartungshaltungen liegt und ich in diese sozialen Fettnäpfchen steige, oder ob ich alles wortwörtlich verstehen muss und dem Bedürfnis nachgebe, Fragen zu beantworten. Wenn Du mich jedenfalls zum Erstarren bringen willst, frag einfach
„Wie geht’s Dir denn heute?“
Mein Gehirn stellt seinen Dienst ein!
Ernsthaft. Mein Gehirn schaltete unmittelbar in den Frage- und Antwort-Modus. Die Minute davor hast Du mich noch angelächelt und sagtest
„Hallo“.
Ich habe niemals verstanden, weshalb man diese Frage als Grußformel benutzen muss. Wenn Du mir eine Frage stellst, werde ich sie beantworten. Warum würdest Du auch etwas fragen, was Du nicht wissen willst, oder? Mein Ehemann sagte, es ist bloß eine Art, höflich zu sein, wenn man jemanden empfängt. Worauf ich antwortete: „Warum kannst Du nicht einfach Hallo sagen, wenn es bloß eine Begrüßung ist?“
Für jene ohne Asperger mag das lächerlich und albern klingen. Für sie ist es verständlich, dass die Person nicht wirklich wissen will, wie es einem geht. Sie fragen nur aus Höflichkeit. Was sie nicht sehen: Ich verstehe, dass das eine Form der sozialen Spitzfindigkeit ist. Ich weiß das und ich scheitere auch nicht es zu verstehen. Wenn ich aber gerade beschäftigt bin, über etwas nachdenke, am Telefon antworte, ein Treffen ausmache oder in ein Büro gehe, um jemanden um etwas zu bitten, und Du mich fragst, wie es mir geht, stürzt mein Gehirn ab.
Meine Tätigkeit wurde durch eine Frage unterbrochen. Ich verliere meinen Gedankenzug und beginne gewöhnlich damit, die Frage zu beantworten. Das Problem dabe ist, dass ich mir zu spät bewusst wird, dass ich darauf nicht antworten muss. Die korrekte Antwort ist:
Fein, wie geht’s Dir?
Und dann mit dem Gespräch fortfahren, als ob niemand diese Fragen gestellt hat. Mein hochgradig logisches Gehirn findet das komplett unlogisch! Und um das noch zu verschlimmern, dauert es ein paar Sekunden, bis ich mich daran erinnere, dass mir eine rhetorische Frage gestellt wurde, und oftmals bleibe ich zurück und fühle mich wie ein völliger Idiot.
Meine Gedanken werden unterbrochen
Meine Gedanken sind bereits unterbrochen, meiner Konzentration beraubt, und ich beginne damit eine Antwort zu formulieren. Wie geht’s mir heute? Verglichen mit gestern, allgemein oder dreht sich die Frage um meine Arbeit? War ich heute produktiv? Blödsinn! Ich bin im Plan hinterher. Warte … OH YEAH! Das ist keine echte Frage, missachte sie, und zaubere die korrekte Standardantwort hervor: Fein, und wie geht’s Dir?
Klingt verrückt? Es bringt mich zum Überschnappen.
Wie manche von Euch wissen, beschloss ich vor ein paar Wochen, einen professionellen Finanzberater aufzusuchen, um meine Verrücktheit wieder in Ordnung zu bringen. Ich rief an, hinterließ eine Nachricht, und warte auf einen Rückruf mit einem Terminvorschlag. Als das Telefon läutete, wusste ich, dass es mein Rückruf war (Anruferkennung natürlich). Ich nahm an.
Ich : Hallo?
Anrufer: Frau (Aspie Writer)? Hier ist die Frau Beraterin vom Beratungsserivce. Wie geht’s Ihnen heute?
Ich: Oh…ähmm…. ach, ja.
Etwas ähnliches wie hier wird beinahe immer passieren, wenn ich auf diese harmlosen Feinheiten treffe. Mein Gehirn springt vom Grüßungsmodus in den Frage-Antwort-Modus. Dann dauert es ein paar Augenblicke, um es zu vergegenwärtigen und ich springe zurück. Bis dahin vergaß ich, was ich tat oder sagen wollte, und verpasse Teile der Unterhaltung. Im obigen Beispiel verpasste ich den ersten Teil des Telefonats, weil ich bei der Frage feststeckte und der innerer Monolog in meinem Kopf weiterlief. Ich verpasste völlig, was die Frau sagte, und es endete damit, sie auffordern zu müssen, das Gesagte zu wiederholen. Ich war danach ziemlich frustriert über mich selbst. Mein Gehirn ist auslaugend!
Meine Frage ist daher: Warum kannst Du nicht bitte einfach nur Hallo sagen?
Schon eine unschuldige, kleine, unausgereifte Frage legt mir Steine in den Weg. Bin ich damit allein? Bringt das auch andere zur Ablenkung? Hast Du Dich selbst schon einmal dabei ertappt, die Frage ehrlich zu beantworten, und dabei festgestellt, dass Deine Ausführungen niemanden interessieren?
Ich hab neulich erlebt, dass das “aus dem Konzept bringen auch bei Neurotypischen ganz wunderbar funktionieren kann. Es war morgens und ich bekam einen Anruf. Da ich die Nummer kannte, und wusste, wer dran sein würde, meldete ich mich mit einem flapsigen “Moin”. “Ja, hier ist der Soundso …” kam aus dem Hörer, woraufhin ich noch einmal “Guten Morgen” sagte und dann eine halbe Minute (eine gefühlte Ewigkeit!) warten musste, bis der Anrufer zum Thema kam.
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Die letzten Fragen kann ich alle mit ja beantworten. Was wäre das schön, wenn es die blöde Frage nicht gäbe. Ich überlege schon länger, welche doofe Antwort man darauf geben könnte, damit einem die Frage beim nächsten Mal nicht mehr gestellt wird.
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Bei Menschen, die mir nahe sind, höre ich an der Melodie der Antwort wie viel oder wie wenig “gut” tatsächlich gemeint ist. Und selbst gebe ich auch durchaus differenzierte Antworten, wenn mich Leute fragen von denen ich weiß oder zumindest berechtigt annehmen kann, dass ihnen die Antwort nicht schnuppe ist.
Wer will mir verbieten, diesem formalen Floskelaustausch in meiner unmittelbaren Umgebung (wieder) eine Bedeutung zu geben. Klar, ist manche/r überrascht, wenn sie oder er auf das lappidare “gut” ein “Das klang jetzt aber nicht überzeugend!” zurück bekommt. Manchmal öffnen sich da Schleusen.
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