Job-Tipps für Autisten von Barbara Bissonnette

Den Autismus-Job-Coach hab ich bereits früher erwähnt. In ihrem Newsletter werden immer wieder Situationen im Jobkontext besprochen, die zu Spannungen zwischen autistischem Mitarbeiter und Arbeitsumfeld führen können. Beziehen kann man den Newsletter hier.

Wie kann man mit Änderungen am Arbeitsplatz umgehen?

Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen der aktuellen und vergangenen Situation. Welches Wissen, welche Fähigkeiten und Erfahrungen kannst Du auf die neue Situation oder Deinen neuen Arbeitgeber übertragen? Was kannst Du tun, um Dich auf die neuen Umstände einzustellen?

Frage nach, wenn Du Dir unsicher bist, was Du anders machen sollst.

Halte davon Abstand, missbilligende Kommentare über Deinen derzeitigen oder früheren Vorgesetzten bzw. Deine Kollegen zu machen. Die Leute könnten sich fragen, warum Du nicht mit den anderen klarkommst.

Falls Du einen neuen Vorgesetzten bekommst, widersetze Dich nicht, wenn Du darum gebeten wirst, einen Aspekt Deines Jobs anders zu handhaben oder neue Verantwortungen zu übernehmen. Sieh das als Chance, etwas neues zu lernen, das Deinen Job einfacher, interessanter und sicherer machen könnte.

Sprich nicht darüber, welche Gewohnheiten Du hattest oder warum der alte Weg besser war. Es lässt sich unflexibel gegenüber Änderungen erscheinen.

Der Unterschied zwischen arbeitsbezogenen und sozialen Fehlern

Arbeitsbezogene (technische) Fehler kommen gelegentlich vor, soziale Fehler wie aufrührerisches Verhalten, schlechte Laune, etc. bringen jedoch Unruhe in das gesamte Team und verringern die Produktivität.

Der Vorgesetzte erwartet, dass man Fragen stellt, wenn man eine Aufgabe nicht verstanden hat. Wenn man jedoch die Aufgabe selbst in Frage stellt oder sagt, dass das Prozedere keinen Sinn ergibt, impliziert das, dass andere ihren Job nicht sorgfältig erledigen. Ein guter Team Player akzeptiert die Richtung. Es könnte sehr vernünftige Gründe geben, weshalb Aufgaben auf diese Art erledigen werden. Wenn man weiterhin die Anweisungen und Methoden in Frage stellt, frustriert man die Leute und deren Lust auf eine Zusammenarbeit schwindet.

Viele autistische Mitarbeiter sind sich nicht bewusst, dass Fehler betreffend die zwischenmenschliche Kommunikation genauso zum Jobverlust führen können wie arbeitsbezogene Fehler. Deshalb sollte man jedes Feedback über ungewünschtes Verhalten ernstnehmen. Es ist durchaus möglich, Beziehungen zu verbessern und die Art und Weise zu ändern, wie man wahrgenommen wird. Doch müssen die Änderungen konsistent sein.

 

Das Rad neu erfinden

Diese Redewendung bedeutet: einen beträchtlichen Zeitaufwand dafür verwenden, etwas zu erfinden, was bereits existiert oder unnötige oder redundante Vorbereitungen treffen. Ebenso kann man sich darin verlieren, Details zu perfektionieren, die für die Aufgabe nicht relevant sind. Jobsuchende erfinden das Rad neu, wenn sie einen Lebenslauf von Null beginnen statt sich Beispiele anzusehen, wohin man den Fokus legen sollte.

Das Rad neu erfinden ist nicht dasselbe wie eine echte Verbesserung oder Neuerung zu machen. Arbeitgeber schätzen Ideen, die die Produktivität erhöhen, solange sie mit den Zielen und Prioritäten des Unternehmens übereinstimmen. Bevor man eine Änderung vorschlägt, sollte man überlegen, wo sie gebraucht wird. Was sind die Vorteile für Dich und/oder andere innerhalb der Organisation? Spart es Zeit oder Geld? Kannst Du spezifische Vorteile identifizieren oder dreht sich die Idee lediglich um Deine persönlichen Vorlieben?

Denke auch darüber nach, welchen Aufwand es kostet, die Idee in den Betrieb einzufügen. Ist der Vorteil groß genug, um benötigte Zeit, Geld und Aufwand zu rechtfertigen? Muss das Unternehmen Kollegen extra trainieren oder neues Equipment anfordern?
Letzter Punkt: Arbeite nicht in einem Vakuum. Stelle Fragen und teile die Ideen mit anderen von Beginn an und es können sich wichtige Informationen ergeben, die Deine Ideen bekräftigen oder in Zweifel bringen.

Brauche ich mehr Routinen?

that autism feel when people change a plan last minute and are pissed off when you’re upset because you can change your own plans last minute and they don’t understand how that is something completely different and has something to do with your level of spoons.

Quelle: “That Autism Feel”

Routinen sind wichtig, um Stress zu vermeiden. Nichtautisten staunen manchmal, was zu Routinen zählt.

Unerwartet frei bekommen statt arbeiten zu müssen, kann für Autisten ein Problem darstellen. Die meisten Nichtautisten freuen sich spontan, wenn sie erfahren, am nächsten Tag nicht arbeiten müssen. Für den Autisten bedeutet die Arbeit auch, dass die Essenszeiten, die Kantine, der Imbiss am Rückweg mit eingeplant sind. Und so kurzfristig nichts planen kann, um die Zeit sinnvoll zu nutzen. Alles muss durchgeplant werden. Ein Autist kann auf unerwartete Freizeit entsprechend ungehalten und erregt reagieren, was für die Außenwelt zunächst völlig unverständlich ist.

Ich habe inzwischen auch meine Routinen entwickelt, um das Bahnfahren möglichst stressfrei zu gestalten. Wobei ich bewusst keine Platzreservierung vornehme, weil ich mir meinen Sitznachbar aussuchen möchte und nicht umgekehrt. Damit ich trotzdem keinen Stress bekomme, bin ich immer möglichst früh am Bahnhof, mit ausreichend Pufferzeit, um mich zudem an die Hektik und Menschenmassen zu akklimatisieren. Ich hole mir vor längeren Fahrten fast immer etwas beim Bäcker, eine Zeitung und gehe vor der Abfahrt am Bahnsteig entlang, checke die Wagenreihung, wo die tendenziell leeren 2. Klasse-Abteils sind, wo das Bistro oder Restaurant. Bis der Zug dann einfährt, ist alles abgeklärt und ich bin beruhigt.

Routinen spielen auch sonst im Alltag eine wichtige Rolle. Viele Routinen besitze ich noch gar nicht. Meiner Ansicht nach trägt der Mangel an Routinen zu Ängsten und Depressionen bei, weil das Frustrationslevel erniedrigt und das Ohnmachtgefühl, “es nicht mehr zu packen” gestärkt wird. Die vermeintlich so an ihre Routinen gefesselten Autisten haben dadurch bedeutend mehr Sicherheit – jedenfalls, so lange sie die Routinen aufrechterhalten können.

  • z.B. Essensroutinen, drei Mahlzeiten am Tag, immer die nötigen Zutaten im Haus haben, immer zum selben Supermarkt, wo man weiß, was wo steht, und schnell wieder draußen ist.
  • z.B. Hygieneroutinen, mit Aufräum-, Putz- und Waschtagen
  • z.B. Freizeit/Bewegungsroutinen, mit Spaziergängen oder Wanderungen entlang von bestimmten Routen, wo man sich nicht jeden Tag neu überlegen muss, wo man heute hinfährt, wie man hinkommt und wie man wieder zurückkommt, um rechtzeitig irgendwo zu sein.

Genügend Freiraum muss freilich gegeben sein, um im Falle von Änderungen rechtzeitig reagieren zu können. Einen Plan B parat zu haben, schadet nie.

Nur eine Routine muss ich jetzt erst langsam durchbrechen. Die über Jahrzehnte antrainierte Nichtautistenlebensunroutine, die dazu geführt hat, mir zu viel Stress zu machen, mich an der Erwartungshaltung der Umwelt zu orientieren statt darauf zu achten, was MIR gut tut. Und das sind nicht zwingend dieselben Ratschläge, wie sie Nichtautisten anderen Nichtautisten geben. Seinen Lebensentwurf umzuplanen, bringt zwangsläufig mit sich, viele Routinen über Bord zu werfen, vor allem viele Denkroutinen. Das geht nicht von heute auf morgen, nicht einmal über mehrere Wochen hinweg.

Vor ein paar Wochen noch sagte ich, dass ich mir auch etwas ganz anderes vorstellen könnte. Jetzt stelle ich fest: Nein, so weit bin ich noch lange nicht. Und noch will ich mich vom Gedanken nicht verabschieden, mein erlangtes umfangreiches Wissen über meine bisher zur Profession gemachten Spezialinteressen auch künftig einsetzen zu können. Mit dem Wissen über Asperger, die andere Wahrnehmung und Informationsverarbeitung, und vor allem dem zunehmenden Wissen darüber, was mir gut tut und was nicht.

Ich denke nicht langsamer, aber brauche länger, um mich auf Veränderungen einzustellen. Ich denke eher zu viel durch, zu viel “Junk” im Hirn, das die klaren Gedankenbahnen verstopft. Und je länger ich handlungsunfähig bin, desto überforderter fühle ich mich, was dann zusätzlich blockiert.

Realistische Pläne sind wichtig, mit vielen, vielen Zwischenschritten.