DSGVO: Neue Schikanen

An die niedergelassenen Ärzte in Tirol erging am 03.07.2019 seitens der Ärztekammer Tirol folgende Mitteilung:

“Die Datenschutzbehörde hat in einer Entscheidung betreffend ein Ärztezentrum in Wien ausgesprochen, dass eine Einwilligungserklärung von PatientInnen über den unverschlüsselten elektronischen Versand (Email, WhatsApp) von Gesundheitsdaten rechtsunwirksam und unzulässig ist (dies also auch dann, wenn die PatientInnen dieser Übermittlung ausdrücklich und schriftlich zugestimmt haben). Es wird daher empfohlen, Gesundheitsdaten nur verschlüsselt zu übersenden oder ein System zur sicheren Datenbereitstellung (z.b. eine dem Stand der Technik entsprechende Befundplattform) zu nutzen. Eine Übermittlung von Gesundheitsdaten mittels Brief ist jedenfalls datenschutzkonform.”

Quelle: Ärztekammer Tirol

Zu unverschlüsseltem elektronischen Versand zählt übrigens auch die SMS! Für die Verschlüsselung von Gesundheitsdaten reicht ein mit Passwort verschlüsselter Email-Anhang – so wie es manche Labore bereits anbieten. (Quelle) Continue reading

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Petition: Klinisch-psychologische Behandlung muss von der gesetzlichen Krankenkasse gezahlt werden

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Flyer: Berufsverband Österreichischer Psychologinnen: Für die Aufnahme klinisch-psychologischer Behandlung ins Allgemeine Sozialversicherungsgesetz: Link zur Petition 

In Österreich wird die klinisch-psychologische Diagnostik von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen, nicht aber die schriftliche Befundausstellung (macht 50% der Kosten aus) und auch keine nachfolgende Behandlung durch klinische Psychologen. Die Kasse begründet das damit, dass Autismus nicht heilbar ist und demzufolge auch kein Behandlungsbedarf besteht.

Die Kasse hat nur in einem Punkt Recht: Autismus kann ursächlich nicht geheilt werden. Es besteht aber sehr wohl Unterstützungs- und Behandlungsbedarf, nämlich bei Begleiterkrankungen wie Angststörungen, Depressionen und traumatische Belastungsstörungen, unter denen die überwältigende Mehrheit der Betroffenen leidet.  Häufig bedeutet die Diagnose auch eine mitunter einschneidende Umstellung des bisherigen Lebensstil. Handlungen werden hinterfragt, der aktuelle Job, der Umgang mit der Diagnose im Freundeskreis (sofern vorhanden) und in der Familie. Freizeitgestaltung. Gerade in der Situation nach einer frischen Diagnose ist psychologische Unterstützung hilfreich. Zudem war gerade bei spätdiagnostizierten Autisten im Erwachsenenalter Autismus häufig nicht der erste Verdacht, sondern Depressionen oder Borderline. Die Begleiterkrankung Depression oder Angststörung verschwindet nicht durch die Autismus-Diagnose, sondern besteht weiter. Continue reading

Ärztefrust die zweite …

Oder: Hot ma ka Glück, kummt a Pech a no dazu.

Heute wollte ich die Blutabnahme hinter mich bringen. Bis Februar bekam ich die Nebido-Spritze wegen Hypogonadismus alle drei Monate. Im ersten Blutbild im April war der Wert vom Gesamt-Testosteron viel zu hoch und wir warteten daher vier Monate bis zur nächsten Spritze. Subjektiv war das immer noch zu früh – ich hatte im ganzen Sommer Probleme mit den Venen und zu dickflüssigem Blut, erwiesenermaßen eine mögliche Nebenwirkung von Nebido. Anfang Juli wollte ich mir das – unglücklicherweise am heißesten Tag des Jahres – anschauen lassen, aber die urologische Ordination wiegelte ab, sie sei dafür nicht zuständig, ich müsse zum Internisten oder Hausarzt. Also fuhr ich in der brütenden Hitze weiter zum Hausarzt. Der wiegelte ebenfalls ab, ich sei dafür zu jung, das sei die Hitze. Einen Zusammenhang mit der Spritze negierte er, obwohl er sich mit dem Klinefelter-Syndrom nicht auskannte. Auch in den kühleren Witterungsperioden schwollen mir die Knöchel bzw. Waden an, was mich beunruhigte, weil ich das noch nie hatte – wenn auch nie so dick wie bei älteren und übergewichtigen Menschen. Anyway … ich kam heute extra nüchtern, weil die (Kassen-)Urologin ein großes Blutbild machen wollte, daran konnte ich mich noch dunkel erinnern, also nicht nur Hormonwerte, sondern auch Fette, Leberwerte, etc.

Der erste Schock war gleich bei der Eingangstür. Meine Ärztin war schwer erkrankt und fiele bis auf weiteres aus, stattdessen zwei Vertretungsärztinnen, die ich nicht kannte, die mich vor allem nicht kannten. Meine Ärztin war Spezialistin für Klinefelter, empathisch und schaute auch über den Tellerrand, immerhin hatte sie beim Ultraschall während der Erstordination auch zufällig den (ruhenden) Gallenstein entdeckt, der meinem Vorgänger nicht aufgefallen war. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich registrierte, dass die Ordination trotz Erkrankung offen war, nur halt in Vertretung.

Punkt 10.00 trat ich in die Praxis. Der zweite Schock dann in der Ordination selbst. Weil ich Ende August aufgrund eines Verdachts auf Nierenkolik zu einer anderen Urologiepraxis ging – es war Mittwoch, meine Urologin hatte geschlossen, und ich hätte am nächsten Tag arbeiten müssen -, war die E-Card gesperrt. “Das ist nicht so einfach, wenn sie den Arzt wechseln”, blaffte mich die (neue) Ordinationshilfe an, während ihr die ältere Ordinationshilfe über die Schulter schaute. Ja, was konnte ich für diese dämlichen Öffnungszeiten? Sie fragte mich, wie der Urologe hieß, bei dem ich war, er fiel mir natürlich nicht ein. Kurze Googlesuche, dann wusste ich es wieder. Sie mussten das erst klären mit dem anderen Urologen, damit die E-Card freigeschaltet wurde. Doppelt ärgerlich, denn wie sich ein paar Tage später herausstellte, hatten meine Beschwerden nichts mit den Nieren zu tun, sondern war ein Magen-Darm-Virus. Doch taten die Nieren weh und ich hatte gleichzeitig Kreuzschmerzen, so fingen frühere Nierenkoliken immer an. Der Blick vom anderen Urologen sprach Bände, nachdem die Untersuchung negativ ausfiel – wie es mir einfallen konnte, nicht vorher zum Hausarzt zu gehen, las ich darin. Weil mein Hausarzt eine Flasche war, war meine nicht ausgesprochene Antwort. Der hätte mich gar nicht erst untersucht. In Zeiten akuten Ärztemangels ist es nicht leicht, einen neuen Hausarzt zu finden, der sich Zeit nimmt und zuhört.

Ich wartete also im Wartezimmer, bis es geklärt wurde. Mittlerweile war es 10.30. Es folgte Schock Nr.3: Plötzlich kam die Ordinationshilfe erneut und sagte, es sei zu spät. Hormontests dürfen maximal bis 10.00 abgenommen werden. Ich sagte wahrheitsgemäß, dass mir das nicht bekannt war. 10.30 sei zu spät. Sie diskutierte noch ein paar Minuten mit der Schwester, die für Blutabnahmen zuständig sei. Die bekräftigte, dass 10.00 das Maximum sei. Ich fragte, warum exakt 10.00? Weil der Hormonwert danach schon so stark schwanken kann, dass die Ergebnisse verfälscht sein könnten. Jedenfalls blieben sie kategorisch bei 10.00, ich war also umsonst hergekommen. Hätten sie mich sofort dran genommen, wäre 10.05 vielleicht noch gegangen.

Danach gab es noch eine völlig unnötige Diskussion darüber, WAS untersucht werden sollte. Ich sagte, ich hätte gerne ein großes Blutbild, sie sagte, die Urologie sei nur für die Hormone zuständig, ich brauche eine zusätzliche Überweisung vom Hausarzt oder Internisten und fragten, ob ich einen guten Hausarzt hätte und ich sagte wahrheitsgemäß nein, der tauge nichts. Ich erwähnte, dass ich vor kurzem erst die Knochendichte habe messen lassen und ein Knochenmarködem habe, weswegen mir andere Blutwerte auch wichtig seien. Das müsse der Facharzt machen, entgegneten beide, sie können nicht einfach ohne Begründung irgendwelche zusätzlichen Werte draufschreiben, die getestet werden sollen. Ob ich eine Überweisung hätte? Nein, es hieß damals ja, ich könne jederzeit in die Praxis kommen. Dann stellten sie fest, dass es eine Laborzuweisung gab, auf der nicht nur Hormonwerte standen, sondern eben auch Fette, Leber, etc., also (größeres) Blutbild – was in herrlichem Widerspruch dazu stand, dass sie mich vorher belehrten, die Urologie sei für anderes nicht zuständig. Meine erkrankte Urologin war eben gut.

Das Ende von der Geschichte ist jedenfalls, dass ich morgen noch einmal früh aufstehen muss und nüchtern bleiben und in ein Labor fahren, um die Blutabnahme machen zu lassen. Mit dem Befund muss ich dann wieder zur (fremden) Urologin, die meine Vorgeschichte nicht kennt und von Asperger nichts weiß.

Was ich ohnehin nach der Blutabnahme geplant hatte, war, anschließend zu meinem Lieblingslokal frühstücken zu fahren. Dort der vierte Schock des Tages – das Lokal war (dauerhaft?) geschlossen, die Eingangstür mit Kartonpapier verrammelt. Ich war umsonst hingefahren, musste durch die Drängelei des Brunnenmarkts zur Haltestelle der Linie 2 – die alte Garnitur war natürlich bummvoll. Ich bekam noch einen fetten Overload dazu, begünstigt dadurch, dass ich immer noch einen leeren Magen hatte. Erst anderthalb Stunden nach dem vermasselten Arzttermin konnte ich endlich frühstücken, im Tewa am Karmelitermarkt, wenn auch nicht das, worauf ich mich gefreut hatte. Draußen im Gastgarten saßen überall verstreut wie Tretminen die Raucher und qualmten alle anderen zu. Ich ging nach drinnen, da war sonst keiner, aber die Musik war mir zu laut, zum gemütlichen Zeitungslesen etwas ZU laut. Nach so viel Pech langt es mir für heute, ich mag keine anderen Menschen mehr sehen.

Wo ist das Problem? Einerseits dieses extrem umständliche Gesundheitssystem, mit arbeitsfeindlichen Öffnungszeiten. Beim nächsten Mal, wenn ich einen Verdacht habe und die Urologiepraxis geschlossen ist, geh ich nicht zu einem anderen Kassenarzt, sondern gleich in die Spitalsambulanz. Dort ist das nämlich kein Problem. Die Ärzte beklagen sich so oft darüber, dass die Ambulanzen überfüllt sind – ja dann macht bitte Gemeinschaftspraxen, die Mo-Fr offen haben, und das auch nach 19.00 noch. Dann das strikte Festhalten an der Uhrzeit. Wie ist das eigentlich nach der Uhrumstellung Ende Oktober? Gilt 10.00 immer noch? Und bei mir als Schichtarbeiter, der sowieso keinen geregelten Tag- und Nachtrhythmus hat. Gilt die Tagesrhythmik des Gesamttestosterons dann auch noch? Drittens – die Urologin hat eine Webseite, auf der aber nichts von ihrer Erkrankung stand und den Vertretungsärztin. Hätte ich das früher gesehen, hätte ich schon gleich einen anderen Spezialisten suchen können. Und viertens – die wenigsten Ärzte schauen über ihr Fachgebiet hinaus. Klinefelter-Symptome werden urologisch festgestellt, aber hormonell behandelt. Es hat Auswirkungen auf die Muskel-Fett-Verteilung im Körper, und damit potentielle Risiken für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, auf die Knochendichte (Calcium, Vitamin D-Werte), und damit erhöhte Osteoporosegefahr, und könnte auch meinen Ermüdungsbruch im Fuß begünstigt haben. Leider ist Klinefelter so selten, dass sich eine eigene Ambulanz dafür finanziell nicht rentiert, denn man müsste bestenfalls interdisziplinär behandelt werden statt wiederholt zu hören “dafür wir sind wir nicht zuständig, da müssen Sie zu einem XY” Und bei XY höre ich dann wieder “dafür bin ich nicht zuständig, blablabla.”

Jedenfalls ist das sehr ermüdend, immer weitergeschickt zu werden. Wahrscheinlich muss ich die wachsende Zahl an Fragen wieder einmal einem echten Wissenschaftler schicken, etwa in Dänemark, Niederlande, Skandinavien – die waren immer freundlich und haben mir teils längere Antworten geschrieben. Im deutschsprachigen Raum kann man’s echt vergessen.

 

Besuch des autistischen Planeten: Noise-canceling Kopfhörer

Seit Mitte April besitze ich erstmals “noise-canceling”-InEar-Phones (gegen die Kapselkopfhörervariante entschied ich mich, da ich Brillenträger bin). Nun, was soll ich sagen? Hätte diese schon vor zwanzig Jahren gebrauchen können. Es ist ein völliges neues Lebensgefühl, eine deutliche Steigerung an Lebensqualität und derzeit kann ich das besonders brauchen. Anfangs hab ich die Kopfhörer nur in der Wohnung getragen, wo sie vom lästigen Uhrenticken über den surrenden Kühlschrank bis hin zu den Stimmen aus den Nachbarwohnungen alles vollständig ausfiltern. Auch das Bohren von der Baustelle irgendwo im Haus wird damit zum Schweigen gebracht.

Inzwischen bin ich damit auch gerne draußen, nur in Gebieten mit Straßenverkehr schalte ich die “noise-canceling”-Funktion aus, weil man herannahende Verkehrsteilnehmer sonst gar nicht oder zu spät bemerkt. Eine spürbare Erleichterung und Stressreduktion bringen sie für mich vor allem in größeren Einkaufszentren und Supermärkten. Die surrenden Tiefkühlaggregate werden stumm, auch das hektische Gewusel wird ganz leise. Ich kann beinahe entspannt zwischen den Regalen flanieren und muss nicht mehr hektisch hinein- und hinausrennen. Auch in öffentlichen Verkehrsmitteln kann ich mich besser abkapseln. Dann höre ich über das Smartphone außerdem meine Lieblingsmusik, was den Effekt noch verstärkt. Gestern war ich mit ihnen im Tiergarten Schönbrunn – das hektische Umhertollen der Kinder können die Kopfhörer zwar nicht wegfiltern, aber die grellen Kinderstimmen auf ein erträgliches Maß reduzieren. Bisher war das der Hauptgrund, weswegen ich mich vorher oft viel kürzer als geplant im Zoo aufhielt.

Die “noise-canceling”-Funktion hätte mir damals im Studium und auch bei den Vorbereitungen auf die Prüfungen in der Ausbildung vor zwei Jahren wesentliche Nachteilsausgleiche gebracht. Ich hätte Ruhe beim Lernen gehabt. In schmerzlicher Erinnerung ist mir noch die Statistikprüfung auf der Uni Innsbruck vor über 12 Jahren, als hinter dem Raum gerade die alte Universitätsbibliothek abgerissen wurde. Ich konnte mich bei dem ohrenbetäubenden Lärm nicht konzentrieren und fiel bei der Prüfung durch.

Der einzige Haken der “Bose Quiet Comfort 20 Acoustic Noise Canceling“-Kopfhörer ist der Preis: Mindestens 200 Euro (beim Hersteller 250 Euro) wird man dafür hinblättern müssen. Auf Twitter meinte ich scherzhaft, jeder sollte zusammen mit seiner Diagnose ein gratis Paar Bose-Kopfhörer erhalten. Realistischer betrachtet könnte ich mir vorstellen, dass jeder mit einer offiziellen Diagnose (durch einen Facharzt) zumindest einen deutlichen Preisnachlass beim Hersteller bekommen sollte, entweder aus Kulanz des Herstellers bei Vorlegen eines entsprechenden Nachweises selbst (unwahrscheinlich, aber nicht völlig ausgeschlossen, das Unternehmen nagt nicht am Hungertuch) oder durch die Krankenkassen. Voraussetzung dafür ist aber überhaupt erst einmal, dass die erhöhte Reiz- und insbesondere Geräuschempfindlichkeit bei vielen (nicht allen!) Autisten als Teil der autistischen Grundsymptomatik anerkannt wird.

Im rückständigen Österreich ist mir überhaupt nichts bekannt, was überhaupt bei Autisten übernommen wird (2012 haben die Gebietskrankenkassen selbst ABA abgelehnt – zum Glück, muss man allerdings sagen, das Early Start Denver Model wird allerdings finanziell unterstützthier ein kritischer Artikel der autistischen Autismus-Forscherin Michelle Dawson aus dem Jahr 2010!). In Summe drehen sich etwaige Förderungen aber nur um (Klein-) Kinder und Jugendliche, Erwachsene fallen vollständig durch den Rost.

In meinen Augen tragen Hilfsmittel wie Noise-Canceling-Kopfhörer wesentlich zu einer Verbesserung der Lebensqualität von (erwachsenen) Autisten bei, sie verringern chronischen Stress durch immanente Reizüberflutung und können die Teilhabe an der Gesellschaft bzw. im Verrichten von Alltagstätigkeiten (Einkaufen, Bus/Zug fahren) erleichtern.

Autisten sind nicht gestört, sie stören andere

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“Wahrnehmungsstörung” oder besondere Wahrnehmung?

Zugegeben eine provokante Neu-Interpretation des vielbenutzten Begriffs Autismus(-Spektrum)-Störung. Ich möchte dabei ein Gefühl ansprechen, das manche Autisten von uns gut kennen. Wenn sie das Gefühl haben, sie können wichtige Anliegen nicht ansprechen, weil sie anderen damit auf die Nerven gehen. Diese Gefühle treten immer wieder auf, in Alltagssituationen, bei wichtigen Gesprächen, bei Behördengängen, bei Ärzten, in der Arbeit, aber vor allem die medizinische Deutung von Störung wird auch gerne von Journalisten genutzt.

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