Quo vadis social media?

Der Ausblick ist ungewiss

Überraschenderweise fallen mir Veränderungen schwer, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Entgegen dem Klischee von vielen Autisten kann ich mit Technik, Software, Programmen, Code nichts anfangen. Ich brauche “What you see is what you get” (WYSIWYG)-Editoren, ohne großartig im Quellcode herumpfuschen zu müssen. Ich muss nicht verstehen können, warum die Anwendung funktioniert – mir reicht, DASS sie funktioniert. Für mehr fehlt mir oft die Zeit und vor allem die Geduld. Da nützen mir dann auch Kommentare nichts wie “Das ist doch ganz leicht, Du musst nur ….”

Wie hat das angefangen mit Twitter? Vor genau zehn Jahren, fast auf den Tag genau, hab ich mich im Job zunehmend fadisiert. Jeden Dienst Zeitungswetter – die Aufgaben, die mir Spaß machten oder wo ich meine Stärken unter Beweis stellen konnte, durfte ich damals nicht machen. Mobbing kam hinzu. Schlechtreden meiner Fähigkeiten aus Furcht vor Konkurrenz. Das war ein ganz mieses Betriebsklima. Trotzdem hielt ich noch drei Jahre durch – unglaublich eigentlich. Anfangs hab ich Twitter abgelehnt – mir wurde vorgeworfen, ein “Kulturpessimist” zu sein. Darüber schrieb ich auch in meinem damaligen Literaturblog (ich müsste schaun, ob ich den noch irgendwo archiviert habe). Später gab ich mir dann einen Ruck.

Und zehn Jahre später hab ich jetzt trotz der Musk-Übernahme über 6300 Follower mit steigender Tendenz, darunter viele Ärzte, Wissenschaftler, Politiker, Journalisten, und dutzende interessante Leute, von denen ich ein paar auch im real life kennenlernen durfte, darunter auch den Ex-Gesundheitsminister Anschober.

Twitter ist für mich die Hauptinfoquelle für Nachrichten geworden. In Listen hab ich mir spezielle Themen einsortiert, wie Ukrainekrieg, Pandemie, Bergsport, Krisenvorsorge, Meteorologie. Dazu kommen die Menschen, denen ich folge und mit denen ich interagiere. In vielerlei Hinsicht habe ich wertvolle Tipps bekommen, in Krisensituationen Zuhörer, und auch das Gefühl, mich einbringen zu können für die Gesellschaft.

Es gibt zahlreiche Accounts, die posten nur über ein Thema. Ärzte über Medizin, Meteorologen übers Wetter, Radlobbyisten übers Radfahren. Ich hab naturgemäß die letzten 3 Jahre viel über die Pandemie geschrieben, aber auch immer wieder über Wetter, Wanderungen und was ich halt gerade so interessant finde. Gruppen taugen mir meist nicht so und wenn, dann nicht lange. Dasselbe mit Vereinen. Ich will mich nicht festlegen müssen auf ein Thema. Ich äußere mich auch politisch, wenn mir danach ist.

Jetzt hat Musk also Twitter gekauft und zerstört. Es ist eine Frage von wenigen Tagen bis Wochen, bis auch die Technik hinter Twitter nicht mehr funktioniert, weil die verantwortlichen Mitarbeiter gegangen oder gefeuert worden sind. Einige sind bereits zu Mastodon gewechselt. Ich schilder das jetzt aus meiner Sicht und bitte das zu respektieren. Für jemand, der mit Technik und IT nichts anfangen kann, ist Mastodon einfach ein Böhmisches Dorf. Es gibt dezentrale Server, auf denen man sich anmelden muss. Dort ist ein bestimmter Nutzerkreis, z.b. Wissenschaftler, Mediziner oder Wiener. Aber wenn ich andere Nutzer suche, dann findet es nur die Nutzer auf dem Server, auf dem ich mich angemeldet habe.

Das zeigt das Problem von Mastadon. Jemand aus z.B. meiner Meteorologenbubble tweetet was. Ich bin aber in der Covidbubble. Keiner der Covidleute folgt dem Meteorologen oder retweetet hin. Der Tweet erscheint nie in meiner Timeline.

Ein weiteres Problem ist, dass ich nur jene User in Listen sortieren kann, denen ich auch folge. Ich hab rund 100 User in Listen, vielen folge ich aber gar nicht, weil ich nur begrenzt so viele User in meiner Timeline verarbeiten kann. Für mich ist daher undenkbar, 1000 oder 2000 Leuten zu folgen. Ich hab es auf 500 begrenzt und das sind mir schon zuviel. Listen federn das gut ab. Wenn ich jetzt allen folge, von Ukrainekrieg, Autismus über Pandemie bis Wetter, dann ist meine “lokale” Timeline überfüllt mit Vieltweetern. Dann kommt die Instanz-Timeline des Servers, worauf ich meinen Account angemeldet habe, da sind aber auch viele drin, die mich nicht interessieren – und zum Schluss die Welt-Timeline, die mich noch weniger interessiert, weil dort ständig jene Inhalte auftauchen, die ich durch Spezialisierung zu umgehen versuchte: Kalenderspruchaccounts, Herzschmerzfilme, Boulevardthemen. Und weiter hab ich mich damit nicht mehr beschäftigt, sondern meinen Account wieder gelöscht.

Doch was mache ich, wenn Twitter jetzt wirklich gekillt wird?

Immerhin läuft der Großteil meiner Kommunikation über Twitter, auch hilfreiche Einkaufstipps, der Schuster ums Eck und viele Inhalte, die ich später verbloggt habe, schrieb ich vorher als Tweetkette, als Blaupause sozusagen. Mein Covidblog ist ohne Infoquellen auf Twitter von zahlreichen Expertinnen und Experten, die ich einigermaßen gut einschätzen kann, nicht vorstellbar.

Ich weiß es nicht. Vermutlich erst einmal eine Auszeit. Und dann mal schaun, wie es weitergeht. Messenger-Gruppen sind jedenfalls kein Ersatz. Ich hätte viel ungelesene Bücher zuhause. Ich könnte ein Buch über die Pandemie schreiben, Material hätte ich genug zusammen. Ich könnte auch noch mehr als ohnehin in der Natur unterwegs sein. Social Media saugt doch ziemlich viel Zeit weg. Aber das Alleinsein bleibt halt, der ständige Austausch würde mir fehlen, die gewonnenen guten Kontakte, Freunde, Wissenschaftler, Kommunikation auf Englisch auch als gute Übung. Wahrscheinlich würde ich früher oder später doch in den sauren Apfel beißen, aber derzeit fühl ich mich nicht bereit dazu.

Advertisement

Konstruktive und sachliche Kommentare werden freigeschaltet.

Please log in using one of these methods to post your comment:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.