
Keine Sorge, das ist nicht als Ankündigung zu verstehen. Mein Leben dauert hoffentlich noch lange. Ich kämpfe dagegen an, kein Opfer durch Covid19 zu werden. Ich möchte Covid19 nicht bekommen, bis ich mich impfen lassen kann. Ich benutze täglich Nasen- und Rachenspray, um eine potentiell infektiöse Viruslast zu reduzieren, ich trage ausschließlich FFP2-Masken, ich supplementiere, da ich einen festgestellten Vitamin-D-Mangel habe, mit hochdosiertem Vitamin D, aber auf Null bringen kann ich das Risiko nicht.
Eigentlich wollte ich mir über mein potentielles Ableben nicht so früh Gedanken machen. In einem Land, was von halbwegs vernünftigen und kompetenten Menschen regiert wird, würde ich mich jetzt wohler fühlen. Ich bin aber in Österreich gelandet, in vielen Bundesländern wird schon länger Triage angewendet, wie im Krieg, nur wird das offiziell dementiert und totgeschwiegen. Es ist also bei einem blöden Unfall oder einem Blinddarmdurchbruch oder anderer denkbarer Komplikationen bis hin zum beatmungspflichtigen Verlauf einer Covid19-Erkrankung nicht mehr sichergestellt, dass man als Mensch in Österreich vor dem Tod gerettet wird. In Wien und Niederösterreich scheint es noch nicht ganz so schlimm wie in den restlichen Bundesländern, weil man sich besser vorbereitet hat, aber… das große Aber, Österreich lockert ab übermorgen bei einer irrwitzig hohen 14-Tages-Inzidenz von knapp 700 die Ausgangsbeschränkungen und wenn man sich so anschaut, wie sich die Leute verhalten, dann wissen die wenigsten vom Ernst der Situation in den Spitälern und täglich über 100 Tote, daran hat man sich schon gewohnt. Ich rechne damit, dass bereits Ende Dezember die Auswirkungen der großzügigen Lockerungen spürbar sein werden und im Jänner droht dann der totale Kollaps des Gesundheitssystems. Eine wahrlich beschissene Aussicht.
Ich hab schon oft gebloggt und beklagt, wie viel Pech ich hatte. Endlich den krisensicheren Job (zwar zutreffend, aber drakonische Sparmaßnahmen drohen und die Privilegien gehen sukzessive verloren, die den 12-Stunden-Schichtdienst ertragbar gemacht haben), endlich eine Aussicht, in Österreich sesshaft zu werden, sich um eine eigene Wohnung zu kümmern, ich überlegte nach der Kur im Jänner mit Datingplattformen zu beginnen und ich wollte nach der Fußverletzung wieder langsam durchstarten, hatte ich doch noch nie eine Fernreise gemacht. Vor 2022 schaut es auch nicht danach aus. Das ist gefühlte Lichtjahre entfernt. Ich hatte aber auch Glück im Unglück mit einer sehr wertvollen und geschätzten Freundin, dank der ich die Pandemie bisher ohne längere tiefdepressive Phasen durchstanden habe. Die chronischen Schlafstörungen sind da, viele Teilerfolge und Lichtblicke der Jännerkur hat der erste Lockdown zunichte gemacht. Dennoch war ich nicht ganz alleine auf mich gestellt in den letzten Monaten. Das hat Kraft gegeben. Eine Handvoll lieber Menschen ist geblieben, dadurch habe ich kaum weniger Sozialkontakte als vor der Pandemie. Lediglich die Urlaube mit den Gruppenwanderungen gehen mir sehr ab.
Sinn des Lebens und so. Ja, an Gott glaube ich auch nicht, trotzdem bin ich kein Atheist. Es ist schwer vorstellbar, dass das Bewusstsein nicht mehr da ist. In irgendeiner Bewusstseinsebene wird man wohl weiterexistieren. Das ist tatsächlich Glaubenssache, es ist mir auch wurscht, solange man den Glauben anderer Menschen respektiert und niemand deswegen umbringt. Was werde ich der Nachwelt hinterlassen, nachdem ich keine Kinder gezeugt habe? Zehntausende Fotos, vier Blogs, zwei Webseiten, eine Menge Wanderberichte. Viel geschrieben habe ich schon immer. Wenn man keine Familie gründet, dann zieht man seine Stärken aus etwas anderem. Aus der Arbeit, aus der Freizeit. Die Arbeit hat die letzten Monate sehr gelitten, weil die Unsicherheit so lange bestand, wie es weitergeht, auch jetzt noch vieles im Umbruch ist. Unsicherheiten machen Angst. Autisten ganz besonders, da helfen keine gut gemeinten neurotypischen Ratschläge, man solle nicht so schwarz sehen, sich nicht unnötig verrückt machen, abwarten, sich nicht reinsteigern, blabla quakquak… Auch die Freizeit hat gelitten, meine geliebten Zugreisen sind momentan nicht in der Form möglich, wie es für mich am entspannendsten ist. Mit Zeitung, Frühstück im Speisewagen. Geht nicht, längere Fahrten bergen zu hohes Infektionsrisiko. Wandern mit längeren Anfahrten scheiden ebenso aus wie längere Busfahrten. Österreich lockert zu viel, es sind zu viele Menschen unterwegs, die sich an nichts halten, sich laut unterhalten und zu viele Aerosole produzieren.
Ich hab meinen neuen Lebenssinn rasch darin gesehen, die Herausforderung SARS-CoV2 anzunehmen und genauso gründlich zu recherchieren, wie ich es seit der Kindheit über das Wetter, seit 2014 über das Klinefelter-Syndrom und seit 2015 über Autismus getan habe. Wissen ermitteln und vermitteln, sagte mein verstorbener Mentor Stefan Hörmann immer. Das ist mein Leitmotto im Leben. Darum verwende ich so unglaublich viel Zeit und Aufwand für meine vielen Blogtexte über das Virus, anfangs in Tagebuchform, später mit immer akribischeren Recherchen. Ich hab mich am Anfang auch ein paar Mal geirrt, aber dazu gelernt und die neuen Erkenntnisse auch mitgeteilt – im Gegensatz zu vielen Scheinexperten der Regierung. Als fachfremde Person geht das, wenn man nicht ins Detail gehen muss. Delegieren heißt das Zauberwort, also an jemanden verweisen, der sich auskennt. Ich glaube, es ist sogar eine große Stärke von mir, kein Fachidiot mit Tunnelblick zu sein, der nicht über den nationalen Tellerrand hinausschauen kann. Dadurch kann ich das Virus aus vielen Blickwinkeln beleuchten, nicht nur aus der medizinischen Sicht.
Manche sagen, ich steiger mich zu sehr hinein und würde mich dadurch ängstigen oder unnötig Zweifel entstehen lassen, aber das Gegenteil ist der Fall. Durch meine Wissensvermehrung fühle ich mich dem Virus als große Unbekannte nicht ausgeliefert. Mein Problem ist, dass Österreich in weiten Teilen nicht auf demselben Wissensstand wie viele Experten ist, und aufgrund seines Bildungsstandard eigentlich sein müsste. Es wird zu wenig für meinen Schutz getan, für den Schutz meiner liebsten, DAS macht mir Angst. Nicht das Virus selbst. Ich weiß, was ich tun muss, sollte ich mich infizieren, welche Medikamente, welche Messungen, wann zum Arzt. Dafür gibt es ein Skript, aber es gibt kein Skript für den Kamikazekurs der Regierung.
Manche sagen auch, das Virus wird vorbeigehen, was mach ich dann? Dann werde ich meine Erkenntnisse aufbereiten, zusammenfassen, ja, ich dachte sogar an ein Buch, genug Material hätte ich mit über 130 Blogtexten und rund 500 gesammelter Literaturverweise. Aber unabhängig davon, wie ich mein Wissen umsetzen werde, könnte ich mir gut vorstellen, Wissenschaftsjournalist zu werden, zumindest, solange ich Themen beackern kann, in die mich schnell hineinfinden kann. Das war schon länger eine Überlegung von mir. Wenn es nicht mehr das Virus ist, dann die Klimaerwärmung, deren Folgen noch zu meiner Lebenszeit eine größere Zäsur darstellen werden als die Pandemie je sein wird. Ich mach das alles nicht umsonst, ich verfolge keine politische Agenda, ich sammel einfach Wissen an, es ist ein Spezialinteresse, das ist für Autisten nicht ungewöhnlich. Und dank der intensiven Beschäftigung habe ich eine Menge interessanter Menschen kennengelernt und hoffe, sie nach der Impfung auch persönlich kennenlernen zu dürfen.
Ich hoffe, dass mein Engagement zum Virus nicht das Letzte sein wird, was von mir bleiben wird. Mit der jetzigen Situation im Gesundheitswesen kann ich diese Möglichkeit weit weniger ausschließen als mir lieb ist, ich hab zumindest alles versucht, was ich konnte, darüber aufzuklären, Wissenschaft und Fakten aufzuzeigen. Wenn das mein Vermächtnis ist, soll es so sein. Aufgeben kommt nicht in Frage, es bleibt mühsam und frustrierend, aber Pandemiemüdigkeit kann ich mir nicht leisten.