
Meine Versuche, mich zu entspannen und gleichzeitig wichtige Einkäufe zu erledigen, sind nicht gerade von Erfolg gekrönt. Derzeit ist wirklich alles mühsam. Die Öffis sind teilweise wieder bummvoll, vor allem die U-Bahnen, wo ich oft erst in die zweite einsteige, weil in der ersten schon alle stehen. Die Straßenbahnen ähnlich voll. Sitzplätze für sich alleine gibt es kaum noch. Auch mit Masken ist es immer noch unangenehm, wenn sich Fremde zu einem setzen. War vorher übrigens auch schon unangenehm für mich. Am Mittwoch rief ich beim HNO an, wegen Termin am Freitag ausmachen. Das ging nicht, man könne nur noch am selben Tag anrufen, bis zu eine Stunde vorher (das hieß, ab 8.00). Ich quälte mich um halb neun aus dem Bett und rief an, da hieß es, es gäbe keine freien Termine mehr, aber sie könne mich noch einschieben. Ja, was jetzt? Ich bekam dann um 11.45 noch einen freien Slot, aber “mit Wartezeit”.
HNO
Ich hatte mir vom ersten Besuch gemerkt, dass der Hygienespender inmitten des Wartezimmers stand und wollte dahin eilen. Die Sprechstundenhilfe hielt mich vorher auf, ich solle erst die Hände desinfizieren, erst bei der zweiten Aufforderung entdeckte ich den neuen Hygienespender direkt beim Eingang, allerdings mit Bewegungssensor. Es kam so wenig heraus, dass das nicht einmal ausreichte, die Hände richtig zu befeuchten. Der Besuch war dann so deprimierend wie erwartet. Leichte Pollenallergie (vor allem Gräser) und starke Milbenallergie (Hausstaub). Begonnen hat alles ausgerechnet 2017/2018 in der schimmelanfälligen Wohnung in Salzburg, da fing das an, dass ich morgens immer öfter aufwachte und die Augenlider ganz verklebt waren. Sonst hatte ich aber noch keine Beschwerden. Ende 2018 erst hatte ich öfter das Gefühl, dass die Bronchien “zu” sind und wenn ich husten musste, tat es ein wenig weh. Im Winter habe ich vage Erinnerungen, dass ein paar Wanderungen etwas mühsamer als sonst waren, speziell die letzten Höhenmeter sehnte ich mich nach dem Gipfel, was vorher nicht der Fall. Ein schwer in konkrete Beschwerden zu kleidendes Gefühl, das sicher keinen Arztbesuch gerechtfertigt hätte. Im April 2019 war ich beim Augenarzt, weil ich das Gefühl hatte, schlechter zu sehen, dabei wurde festgestellt, dass die Sehkraft nur geringfügig schlechter war, aber die Bindehaut bzw. Lidrand entzündet. Ich bekam Tropfen verschrieben, dann hatte ich wegen dem Knochenmarködem genug, was mich beschäftigte und hab das Augenproblem erst mal vertagt. Tatsächlich stammten das leichte Brennen und die verklebten Augen vor allem in der Früh bereits von der Milbenallergie. Aber weil Kassenärzte in zwei Minuten flüchtig anschauen nicht über den Tellerrand blicken können, sagte niemand was in Richtung Allergieverdacht und so ist ein weiteres Jahr verstrichen. Letztes Jahr hab ich deutlich weniger Touren gemacht und keine Leistungseinbrüche bemerkt. “Wohnung sanieren, Teppiche raus”, ja das sagt sich so leicht. Bei der Übersiedlung hab ich einige hundert Euro für schöne Teppiche ausgegeben. Die bleiben auch drin, denn ich brauche wenigstens ein Minimum an Dämmung zu den Nachbarn wegen der fehlenden Trittschalldämmung. Allergikerbettwäsche hab ich bereits gekauft, nicht gerade billig, und im Gegensatz zu Deutschland übernimmt die Kasse in Österreich die Kosten dafür nicht. Was sein muss, muss sein. Die Gewichtsdecke hatte ich den ganzen Winter ohne zu waschen benutzt, ich war selbst schuld. Auch vorher hab ich die Bettwäsche oft monatelang nicht gewaschen. Wöchentlich waschen ist weiterhin schwierig, ich bräuchte einen Trockner. Jetzt hab ich zumindest zwei Garnituren Allergikerbettzeug und komme hoffentlich alle zwei Wochen zum Waschen. Die Pollenallergie muss ich dabei ignorieren, sonst kann ich die Wäsche nicht draußen aufhängen und sie braucht tagelang zum Trocknen. Die Gewichtsdecke muss in die Reinigung, aber die kann ich ohne Auto schlecht transportieren, für Abholservice braucht es wieder Mindestbestellwert, waaaaah, scheißdreck. Hätte ich das alles vorher gewusst, hätte ich KEINE Gewichtsdecke gekauft. Und ich hätte beim nagelneuen Bett bereits auf eine Allergikermatratze achten können. Die Teppiche bleiben also. Milbenstaubsauger ist das Zauberwort, den ich bei Amazon bestellen muss, denn ins Geschäft schaff ich es derzeit nicht. Die liegen alle weit auseinander und die Onlineshops sind nicht imstande anzuzeigen, was wo lagernd ist. Bestellen muss man also so oder so. Was dann wieder nervig ist, weil die Wartezeit auf die Lieferung einen ganzen Tag fressen kann.
Bezüglich Pollen hat er mir den Pollenwarndienst empfohlen, ob ich die Seite kenne – ich verkniff mir zu sagen, dass ich vor Jahren noch für Tageszeitungen das Pollenwetter selbst geschrieben habe und natürlich die Quellen dafür kannte. Dennoch kann ich mich nicht auf alles gleichzeitig konzentrieren. Meine Hauptbeschwerden sind morgens, die Pollenallergie wenig ausgeprägt. Meine Freizeitaktivitäten, die ohnehin wegen Knochenmarködem, ohne Auto und mit Corona sehr, sehr eingeschränkt sind, jetzt auch noch nach den Regionen und Monaten ausrichten zu müssen, wenn bestimmte Pollen gerade aktiv sind, würde mich vollkommen überfordern. Dann würde ich das Haus gar nicht mehr verlassen.
Ich müsste auch viel häufiger wischen und saugen. Ironischerweise hab ich gerade dafür eine Reinigungskraft angestellt, die zwei mal im Monat kommt. Häufiger schaff ichs nicht wegen dem Schichtdienst. Sie braucht immer knapp vier Stunden, bis sie alles gründlich gereinigt hat. Wenn ich jetzt selbst noch dazwischen putzen muss, bleibt von den freien Tagen zwischen den ganzen Tag- und Nachtschichten noch weniger Zeit, wo ich wirklich mal das Haus verlasse. Ich bin jetzt schon am Limit und muss mich viel öfter überwinden, egal ob Haushalt oder Freizeitaktivitäten. Diese gschissene Milbenallergie wirft mir zur ungünstigen Zeit einen weiteren Knüppel zwischen die Beine. Es ist so schon schwer genug.
Friseurbesuch
Anfang Jänner, kurz vor der Kur, war ich das letzte Mal beim Friseur. Am Mittwoch wollte ich den coronabedingten Schnitt nachholen und fuhr durch die halbe Stadt zur Friseurkette, wo man ohne Termin hingehen kann (Termin bedeutet in den meisten Fällen, wieder anrufen zu müssen). Ich ging hinein, Wartezimmer leer, eine ältere Frau unter der Dauerwellenhaube. Niemand zu sehen. Im Hintergrund Geflüster. Ich wartete zehn Minuten, aber es kam niemand heraus. Ich ging frustriert nach draußen. Im gleichen Moment kam eine Friseurkollegin mit einer großen Pizzaschachtel, aha, Pause also. Da wollte ich dann auch nicht mehr stören. Passiert ist mir sowas das erste Mal, ich musste noch nie warten, überhaupt bedient zu werden. Heute fuhr ich ins Stadioncenter, auch dort gibts den Friseurladen. Tja, Pech, vier ältere Damen vor mir, das konnte Stunden dauern, außerdem behagte mir die Atmosphäre im Einkaufscenter gar nicht. Zu laut, zu viel Gewusel. Ich fuhr wieder durch die halbe Stadt zurück, schnell die zweite Garnitur Allergikerbettwäsche kaufen. Mariahilferstraße, bummvoll, Menschenmassen wie vor Corona. Auch in allen Geschäften wuselte es. Freitag, früher Nachmittag, selbst Schuld, aber der späte HNO-Termin hatte mir den Vormittag gekostet. Ich kam dann wieder beim Friseurladen vom Mittwoch vorbei. Gleiches Problem, viele Frauen vor mir, das dauert erfahrungsgemäß viel länger mit den ganzen Extrawünschen. Friseurbesuch auf nächste Woche verschoben mit wachsender Unlust.
Es ist alles sehr mühsam, sich draußen zu bewegen, wenn so viele Menschen unterwegs sind. Ich weiß, dass das Virus nicht weg ist. Ich trage weiterhin Maske im Einkaufscenter, in den Geschäften, im Supermarkt, obwohl hierzulande keine Pflicht mehr besteht. Ich finde Einkaufen weiterhin mühsam, und heute war ich wieder einmal nahe dran an einem fetten Overload. Ich spürte, dass ich dringend wegmusste. Die knallende Hitze hat die Beklemmung noch verstärkt, der erste heiße Tag seit Wochen. Bestellungen finde ich genauso mühsam, leider. Liefertag irgendwann, mit Glück dann, wenn ich frei habe, mit Pech nach dem Nachtdienst. Ganzer Tag oft verschissen mit dem Warten und die Türglocke ist so laut, dass mein Puls jedes Mal nach oben geht.
Routinen, die wegfallen
So ist mein Alltag derzeit, da hab ich die beruflichen Sorgen noch gar nicht aufgezählt. Da verändern sich derzeit auch so vermeintliche Kleinigkeiten zum Negativen, etwa dass es seit Mitte März keine Kantine mehr gibt. Nicht, dass ich auf den Kantinenlärm scharf war, aber es gab auch ruhigere Zeiten und vor allem die garantierte ausgewogene Mahlzeit zur Mittagspause. Seit März gibt es nur noch Supermarkt, Fertigsalat oder Brathendl. Für 99% der Kollegen kein Problem, sie sind verheiratet oder verpartnert, einer kocht immer. Ich kann nicht gut kochen und noch schlechter vorkochen, ich weiß oft nicht, worauf ich am nächsten Tag Appetit haben werde. Das war auch in der Kur eine Herausforderung, als Wochenpläne erstellt wurden. Salate mach ich mir nie, frische Zutaten fehlen oft. Weil es außer mir sonst keinen stört, gibt es auch keine Alternativen. Man hätte einen Take-Away-Service anbieten können, aber so wichtig sind wir dann doch wieder nicht. Letzte Woche erfuhr ich dann auch, dass das Massageangebot in der Firma eingestellt wird, wegen Corona, heißt es. Letztes Jahr hab ich das erstmals in Anspruch genommen, die erste Massage überhaupt! Während der Dienstzeit zum vergünstigten Tarif. Ich bin gerne hingegangen, auch wenn Kollegen störte, dass sie viel redete, aber ich konnte mir einiges von der Seele reden, dem Körper tat das gut und die Psychohygiene tat das ihrige. Leider ist ihre Praxis auf der anderen Seite der Stadt, ich müsste freie Tage dafür opfern, weiterhin hingehen zu können. Freie Tage, die wegen diverser Arzttermine immer weniger werden. Letztes Jahr hab ich – mitgezählt – über 60 Tage an gesundheitsbedingte Termine verloren. Dieses Jahr wollte ich es nicht so weit kommen lassen, und jetzt geht es wegen HNO, Lungenfacharzt, später Augenarzt schon wieder los.
Es frustriert, wenn die autismusbedingten Schwächen wieder vermehrt in den Vordergrund treten, sei es die Unfähigkeit, selbst (vor) zu kochen, sich einfach per Telefon Massagetermine auszumachen, diverse andere Anrufe von der Reinigung bis zum Arzttermin, den man wochenlang hinauszögert. Die verstärkte Reizfilterschwäche, die einen schon bei Kleinigkeiten ausflippen lässt. Heute Nachmittag saß ich am Balkon, herrlicher Gewitterregen, sehr entspannend. Zwei Stockwerke über mir zwei Kinder am vergitterten Balkon, die darauf herumtrampelten und Geräusche machten. Im Lockdown hätte ich milde gelächelt. Heute wars zuviel. Ich knallte die Balkontür zu und verbarrikadierte mich in der Wohnung.
Lichtblicke
Ich mag nicht nur jammern, am vergangenen Mittwoch war ich nach vier Monaten Coronapause wieder bei der Psychologin, mit Abstand haltend ohne Maske, die Terrassentür war offen. Manchmal denke ich mir, statt Gespräch sollte sie mich einfach die Stunde mit ihrem Hund alleine lassen. Ich würde am Teppich liegen, er mich abbusseln und wir würden beide aneinandergekuschelt dösen.

Bei der kurzen Achtsamkeitsübung am Ende der Stunde legte sich der Hund dann auch parallel zu mir hin und entspannte sich mit. Zum Schluss der Übung stieg er über mich drüber und ich musste lächeln. Mir tut das jedes Mal sehr gut. Kein Telefonat oder Skype-Gespräch wie während dem Lockdown kann diesen tierischen Kontakt ersetzen.
Auch der Nachmittag und Abend danach taten gut. Mit Menschen Zeit verbringen können, ohne ständig auf die Uhr schauen zu müssen, daran erkennt man wahre Freundschaft. Die Zeit darf vorbeigehen, ohne sich gehetzt zu fühlen. Das gipfelte in dem ersten Steakgenuss seit Monaten, und das war das beste überhaupt, was ich in Wien bisher am Teller hatte!

Ohnehin verbringe ich am liebsten Zeit mit Menschen, die am liebsten Zeit mit Hunden verbringen. Solche Tage sind Krafttage, zwischen dem ganzen Stress. Ich wünschte auch, ich hätte die beruflichen Voraussetzungen, mir einen eigenen Hund als Begleiter zu leisten. Das wäre ein enormer Gewinn an Lebensqualität. Vielleicht könnte ich mich sogar überwinden, die Hundstrümmerl selbst aufzulesen und dem Hund ins Auge zu fassen. Mit Schichtdienst und alleine schwierig. Leider.