Tag 3, 14.03.

So, damit es nicht zu unübersichtlich wird, werd ich die Blogtexte aktualisieren pro Tageseintrag.

Ja. Wir erleben eine Zeitenwende, innerhalb einer Woche, es wird sich vieles ändern, wahrscheinlich letztendlich vieles zum Guten, aber mit einem hohen Preis. Es wird wahrscheinlich sehr lange dauern, bis die Infektionen soweit abgeklungen sind, dass wieder freies Reisen möglich sein wird, ohne, dass erneut erhöhte Ansteckungsgefahr besteht. Parallel dazu bestehen die Hoffnungen in der Entwicklung eines Impfstoffs, was uns in der aktuellen Situation aber wenig nützt. Das Reiseverhalten, der Massentourismus zu Billigstflugpreisen wird zu hinterfragen sein. Das betrifft die Luftbranche, mein Berufsfeld, derzeit am stärksten und wird wohl noch lange Nachwirkungen haben. Durchaus möglich, dass einige Fluggesellschaften jetzt pleite gehen. Es ist wohl auch das Ende der Spaßgesellschaft, wenn man sich anschaut, dass sich hunderte Skiurlauber aus Nordeuropa alleine in Ischgl angesteckt haben, vorwiegend bei Gondelfahrten und Après-Ski-Saufparties. Vielleicht erkennt man, dass nicht jeder Erdenbürger das von Gott gegebene Recht hat, um die Welt zu reisen, jedenfalls nicht ständig. Urlaub in der Heimat kann genauso schön sein, vielleicht finden wir zu einer gewissen Entschleunigung zurück. Statt Erlebnisurlaub Entschleunigungsurlaub. Ich bin Realist und sage, dass es so nicht weitergehen kann. Coronavirus hat uns jetzt den Knüppel zwischen die Beine geworfen, das umgebremste Wachstum abgewürgt, bevor die Friday4Future-Bewegung wegen der Erderwärmung ein Umdenken hätte erzeugen können. Ein Umdenken in anderer Hinsicht wird stattfinden müssen, was die Wertschätzung von Mediziner und PflegerInnen betrifft. Jetzt rächen sich jahrzehntelange Einsparungen im Gesundheitssystems. Im Krisenfall völlig überfordert, in vermeintlich reichen Ländern Europas. Aber was nützt, wie im Fall Deutschlands, ein Haushaltsüberschuss, wenn er auf Kosten massiver Einsparungen und Personalmangel teuer erkauft ist? Österreich steuert (e?) in die gleiche Richtung mit der Zusammenlegung der Krankenkassen, der wundersamen Vermehrung der Wahlärzte und gleichzeitige Dezimierung der Krankenkassenärzte, und hartnäckige Gerüchte darüber, dass Unfallkrankenhäuser aufgelöst werden sollen (Meidling versus Lorenz-Böhler) statt sie zu modernisieren. In den Branchen, die jetzt ranklotzen müssen wegen Aufrechterhaltung der Grundversorgung, egal ob Polizei, Ärzte, Pflege, Lebensmittelkonzerne, etc. ist das Personal knapp. Langfristig kann der Umbau nur funktionieren, wenn die Reichen und Großunternehmen stärker zur Kasse gebeten werden als bisher, also Erbschafts- und Vermögenssteuer. Aber das bleibt vielleicht doch nur ein frommer Wunsch. Positiv fällt auf, wie sachorientiert die grünen Minister auftreten, gegenüber Kanzler und Innenminister. Populismus ist jetzt die Lebensgrundlage entzogen. Die Politik ist von Solidarität geprägt, die Bevölkerung ist polarisiert wie schon immer. Einerseits die Hilfsbereiten, andererseits die Hamsterkäufer, die lebenswichtige Hygieneprodukte aufkaufen.

Laut aktuellem Stand, 01 Uhr 24,  (Zahlen vom Vortag, 15.00), sind es 504 bestätige Fälle, 6 Erkrankte sind offiziell gesundet und einer ist gestorben.

 

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One thought on “Tag 3, 14.03.

  1. hieristbesetzt 14. March 2020 / 14:48

    Es gibt durchaus Dinge, die ich am deutschen Gesundheitssystem für kritikwürdig halte – unter anderem die Zweigleisigkeit aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung -, aber generell fühle ich mich medizinisch sehr gut versorgt in Deutschland, auch zur Zeit. Ich hoffe, dass die jetzt getroffenen Maßnahmen – insbesondere die Kombination aus Veranstaltungsverboten und Schulschließungen – helfen, italienische Verhältnisse zu verhindern.

    Wenn ich mich informieren möchte, verlasse ich mich auf seriöse Quellen wie die Homepage des Robert-Koch-Instituts oder auch den „Corona-Podcast“ vom Norddeutschen Rundfunk, in dem Professor Drosten von der Berliner Charité jeden Tag eine halbe Stunde lang sehr sachlich und unaufgeregt alle möglichen Aspekte der momentanen Lage erörtert. Sehr empfehlenswert!

    Soziale Medien wie Twitter und Facebook hingegen sind in der Hinsicht eine Katastrophe, sie lese ich überhaupt nicht. Internetforen und Kommentarspalten der Onlinezeitungen sind auch nicht viel besser. Neulich las ich in einem großem deutschen Kochforum den hysterischen Beitrag einer Userin, die aus der Meldung (von Professor Drosten), dass die Corona-Sterblichkeit ab 65 stark ansteigend sei und im Altersintervall 80-89 bei etwa 20 bis 25% liege, ihrerseits die Schlussfolgerung zog „25 Prozent aller 65jährigen werden sterben“. Und so ein Mist verbreitet sich dann rasend schnell.

    Ich hoffe, dass als Konsequenz aus der Corona-Epidemie einige Dinge im medizinischen Bereich überdacht werden und man insbesondere wieder Produktionskapazitäten für lebenswichtige Medikamente innerhalb der EU aufbaut, statt alles aus China und Indien zu importieren. Ansonsten glaube ich ehrlich gesagt nicht, dass sich langfristig allzu viel am Verhalten der meisten Menschen ändern wird. Und ich würde das auch nicht gut finden. Für mich sind Aprés-Ski-Saufurlaube auch überflüssig wie ein Kropf, aber für andere nicht, und die Reisefreiheit innerhalb der EU ist für mich ein hohes Gut – sozusagen ein Grundfeature der europäischen Union. Ohne Reisefreiheit keine EU. Mehr Augenmaß beim Reisen täte sicher gut, aber nicht so sehr aus seuchenmedizinischer Sicht, sondern eher aus Klimaschutzgründen.

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